AVB Restschuldarbeitsunfähigkeitsversicherung § 1 Abs. 1
In einer Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung reicht eine Teilarbeitsunfähigkeit zur Leistungsbegründung aus, wenn die Versicherungsbedingungen offen lassen, ob vollständige Arbeitsunfähigkeit vorliegen muss.
LG Dortmund, Urt. v. 14.1.2010 – 2 O 399/08
Die Klägerin hat bei der Beklagten zur Absicherung eines für den Ankauf eines Pkw abgeschlossenen Ratenkredits eine Restschuldarbeitsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Während der Versicherungsdauer erkrankte die Klägerin an Multipler Sklerose und konnte deshalb ihren Beruf als Altenpflegerin nicht mehr ausüben.
Die Beklagte hat die monatlichen Darlehensraten übernommen und bis einschließlich Mai 2008 an die kreditierende Bank gezahlt. Weitere Leistungen lehnte sie wegen behaupteter Berufsunfähigkeit ab. Deshalb zahlt die Klägerin seit Juni 2008 die monatlichen Raten wieder selbst an die kreditierende Bank.
Mit der Klage hat sie zunächst Zahlung der Raten von Mai 2008 bis einschließlich März 2009 an sich sowie ab April 2009 auch für die Zukunft an die kreditierende Bank verlangt. Nach teilweiser Klagerücknahme begehrt sie nunmehr noch Zahlung der von ihr an die kreditierende Bank geleisteten Raten für den Zeitraum Juni 2008 bis einschließlich Januar 2010. Sie behauptet fortbestehende Arbeitsunfähigkeit in ihrem Beruf als Altenpflegerin.
Aus den Gründen:
“ … 1. Die Beklagte war verpflichtet, aus der bestehenden Versicherung die Klägerin von der Ratenzahlungsverpflichtung freizustellen, da die Klägerin auch über Mai 2008 hinaus arbeitsunfähig gewesen ist und die Leistungspflicht der Beklagten nicht durch Berufsunfähigkeit endete. Denn die Parteien haben durch die abgeschlossene Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung vereinbart, dass die Beklagte während der Versicherungsdauer die monatliche Arbeitsunfähigkeitsrente zahlt, wenn die versicherte Person arbeitsunfähig wird (§ 1 Abs. 1 der Allgemeinen Bedingungen). Nach § 1 Abs. 2 liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person infolge Gesundheitsstörungen die ärztlich nachzuweisen sind, außer Stande ist, ihre bisherige oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die auf Grund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.
Die Klägerin hat bewiesen, dass die Voraussetzungen der ersten Alternative vorliegen und sie außer Stande ist, ihre bisherige Tätigkeit weiter auszuüben. Dabei legt das Gericht zu Grunde, dass die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 der Allgemeinen Bedingungen bereits vorliegen, wenn eine Teilarbeitsunfähigkeit besteht. Denn anders als bspw. in den gängigen Bedingungen für die Krankentagegeldversicherung wird in den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten nicht geregelt, ob es sich bei der bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit um eine vollständige oder teilweise handeln muss. Die Bedingungen der Beklagten sind insoweit unklar. Sie lassen sowohl eine Auslegung dahingehend, dass vollständige Arbeitsunfähigkeit gemeint sein soll als auch dahingehend zu, dass bereits eine teilweise Arbeitsunfähigkeit den Leistungsanspruch der versicherten Person auslösen soll. Nach der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB kommt deshalb die für die versicherte Person günstigere Auslegungsmöglichkeit zum Tragen, sodass die vollständige Arbeitsunfähigkeitsrente auch dann zu zahlen ist, wenn lediglich eine teilweise Arbeitsunfähigkeit vorliegt (LG Berlin VersR 2002, 1235).
Die von der Klägerin behauptete und von der Beklagten auch zunächst anerkannte Arbeitsunfähigkeit endete nicht mit dem Monat Mai 2006. Dies folgt aus dem vom Gericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen T. Dieser hat in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass die Erkrankung der Klägerin an Multipler Sklerose zwar zu keinen kognitiven Störungen bei der Klägerin geführt hat, dass aber ein leichtgradiges Defizit mit einer diskreten Hemlataxie rechts besteht, also ein auf eine Körperhälfte beschränktes mangelhaftes Zusammenwirken der Muskeln, dass sich nach den Erläuterungen des Sachverständigen im Termin vom 14.1.2010 in einer Gangstörung nach einer Gehstrecke von 200 m bemerkbar macht. Ferner liegt bei der Klägerin eine vorzeitige Ermüdbarkeit vor. Diese Einschränkungen haben den Sachverständigen letztlich zu der Erkenntnis kommen lassen, dass die Klägerin bei den sehr anstrengenden Bereichen ihrer Tätigkeit als Altenpflegerin eingeschränkt ist, wohingegen sie die nicht so körperlich belastenden Bereiche ihrer Tätigkeit noch uneingeschränkt ausüben kann. Damit liegen die Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit im Sinne einer Teilarbeitsunfähigkeit bis einschließlich Januar 2010 vor.”