AUB 94 § 1 Abs. 3; § 2 Abs. 1; VVG § 22
1. Wird ein Versicherter mit schweren Kopfverletzungen (Schädelfraktur und Hirnblutung) in seinem Hausflur aufgefunden, ohne dass der Geschehensablauf aufgeklärt werden kann, ist von einem von ihm zu beweisenden Unfall auszugehen, trotz Vorbefunden nicht aber von einer vom Versicherer zu beweisenden alkoholbedingten oder epileptisch bedingten Verursachung.
2. Von dem Bewusstsein einer erfragten "erheblichen Krankheit" ist trotz bewiesener Leugnung einer Alkoholerkrankung durch den Versicherten auszugehen, wenn er ärztlich lange Jahre vor Alkoholmissbrauch gewarnt und wegen dessen Folgeerscheinungen auch bereits stationär behandelt worden war.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 24.3.2010 – 5 U 144/09
Der Kläger, der inzwischen unter Betreuung steht, leitet Ansprüche aus einem Unfallgeschehen in der Nacht vom 12.10. auf den 13.10.2006 ab, bei dem er sich durch einen Sturz schwere Kopfverletzungen zuzog. Die Einzelheiten des Unfallgeschehens, insbesondere dessen Ursachen, sind zwischen den Parteien streitig. Der Kläger wurde am frühen Morgen von seiner Ehefrau im Hausflur auf dem Boden liegend vorgefunden; er selbst kann sich weder hierzu, noch zu den Umständen des Zustandekommens des Versicherungsvertrages äußern.
In den Versicherungsantrag von 2001 verneinte der Kläger die Frage, ob die versicherte Person an körperlichen Fehlern, Gebrechen oder erheblichen Krankheiten leide oder in den letzten 4 Jahren gelitten habe.
Im Rahmen der Leistungsprüfung teilte die Hausärztin des Klägers der Beklagten mit: "Ein erhöhter Alkoholkonsum war seit 1997, die Alkoholkrankheit seit 1999 bekannt. Im Rahmen der Alkoholkrankheit kam es seit 2005 zu mehreren epileptiformen Anfällen, z.T. mit leichten bzw. auch schweren Verletzungen".
Aus den Gründen:
“ Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Entgegen der Ansicht des LG ist dies allerdings nicht darauf zurückzuführen, dass es bereits an der schlüssigen Darlegung eines Unfallgeschehens fehlt. Die Leistungsfreiheit der Beklagten folgt aber daraus, dass die Beklagte den Versicherungsvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat (§ 22 WG i.V.m. § 123 BGB), sodass dieser gem. § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist …
2. … Nach § 1 Abs. 3 AUB 94 liegt ein Unfall vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Davon ist im Streitfall auszugehen, da der Kläger sich durch seinen Sturz – u.a. – eine Schädelfraktur und eine Claviculafraktur (links) zugezogen hat.
Der Annahme eines von außen auf den Körper des Klägers einwirkenden Ereignisses steht im Streitfall nicht entgegen, dass der Kläger – als Folge der erlittenen Verletzungen – nicht angeben konnte, worauf der Sturz beruhte. Dass allein durch eine ungeschickte Eigenbewegung derart schwere Verletzungen verursacht werden könnten, hält der Senat entgegen der Ansicht des LG für ausgeschlossen. Ebenso wenig kann der Annahme eines Unfallereignisses die Behauptung der Beklagten entgegenstehen, der Kläger könne auf Grund eines epileptischen Anfalls oder auf Grund Alkoholisierung – und damit auf Grund eines inneren Vorgangs – zu Fall gekommen sein. Denn mit der Einschränkung, wonach das zur Gesundheitsbeeinträchtigung führende Ereignis von außen auf den Körper einwirken muss, soll der Versicherungsschutz ersichtlich nur solchen Gesundheitsbeeinträchtigungen vorenthalten bleiben, die unmittelbar und ausschließlich auf einem inneren, organischen Vorgang beruhen. Demgegenüber stellt eine Gesundheitsbeeinträchtigung, die der Versicherte durch einen Zusammenprall seines Körpers mit einer Sache erleidet geradezu den typischen Fall eines von außen wirkenden Ereignisses dar (vgl. Senat OLGR 2004, 146; Grimm, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 1 AUB 99 Rn 27). So liegt es hier, da die Schwere der erlittenen Verletzungen sich nur mit einem Aufprall auf Boden oder Treppe im Hausflur erklären lässt und Anhaltspunkte für eine andere als unfallbedingte Ursache fehlen.
Nur dieses Verständnis wird dem systematischen Zusammenhang der Versicherungsbedingungen gerecht, die die von der Beklagten behaupteten Sachverhalte in der Ausschlussklausel des § 2 Abs. 1 AUB 94 regelt, deren Vorliegen die Beklagte zu beweisen hat. Ein Versicherter, der infolge eines Sturzes in seiner Gesundheit beeinträchtigt wurde, erleidet einen bedingungsgemäßen Unfall mithin auch dann, wenn der Sturz durch eine körperinterne vorausgehende (Gesundheits-) Beeinträchtigung verursacht worden ist (vgl. BGH NJW 1957, 381; OLG Hamm RuS 2003, 31; OLG Frankfurt NVersZ 2002, 558).
3. Auch bei Annahme eines Unfallgeschehens kann die Beklagte allerdings dann leistungsfrei sein, wenn sie den Nachweis des Vorliegens der von ihr als Unfallursache in Betracht gezogenen Sachverhalte erbringen kann. Denn nach § 2 Abs. 1 AUB 94 fallen Unfälle durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen, sowie durch Sch...