Prof. Dr. Roland Rixecker
VVG § 69 a.F.
Der Versicherungsvertrag geht auf den Erwerb eines Kraftfahrzeugs erst dann über, wenn der Vollrechtserwerb vollendet ist.
LG Mühlhausen, Urt. v. 2.2.2010 – 3 O 373/07
Die Parteien streiten um Versicherungsleistungen aus einem Kaskovertrag. Der Kläger betreibt gewerblich einen Handel mit Bau- und Nutzfahrzeugen. In dieser Eigenschaft erwarb er von der Fa. T GmbH über das Autohaus A GmbH ein Nutzkraftfahrzeug. Das Fahrzeug war von der T beim Autohaus in Zahlung gegeben worden. Am 18.7.2006 wurde durch das Autohaus auf eigenen Namen eine Fahrzeugrechnung über den Kaufpreis erstellt und das Fahrzeug übergeben. Der Kläger nahm das Fahrzeug mit und stellte es auf sein Betriebsgelände. Am 21.7.2006 wurde das Fahrzeug dort von dem M entwendet, der damit fuhr und kurz darauf verunfallte, wobei der Lkw einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitt. Das Fahrzeug war zu diesem Zeitpunkt noch auf die T zugelassen und von dieser gegen Haftpflicht und Vollkaskoschäden bei der Beklagten versichert. Der Fahrzeugbrief befand sich noch bei der finanzierenden Bank. Am 26.7.2006 bezahlte der Kläger den Kaufpreis.
Aus den Gründen:
"Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger gegen die Beklagte weder aus § 69 VVG a.F. i.V.m. dem Vollkaskovertrag, noch aus einem anderen Rechtsgrund zu. Zwischen den Parteien besteht kein Versicherungsvertragsverhältnis."
Unstreitig hat der Kläger mit der Beklagten keinen Vertrag abgeschlossen. Die Beklagte ist vielmehr die Vollkaskoversicherung der Fa. T. Diese hatte das Fahrzeug über das Autohaus verkauft. Soweit der Kläger hier Ansprüche aus der Vollkaskoversicherung geltend macht, können diese lediglich aus § 69 Abs. 1 VVG a.F. resultieren. Danach tritt an Stelle des Veräußerers einer Sache der Erwerber in die während der Dauer seines Eigentums aus dem Versicherungsverhältnis sich ergebenden Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers ein, wenn die versicherte Sache von dem Versicherungsnehmer veräußert wird. Diese Regelung verhindert, dass im Fall der Veräußerung einer Sache ein versicherungsloser Zustand eintritt. Sie hat die Bedeutung, dass eine Versicherung nämlich grundsätzlich trotz der Veräußerung einer Sache zunächst weiter gilt.
In den Versicherungsvertrag tritt mit der Veräußerung zunächst der Erwerber ein. Der Begriff der Veräußerung’ ist nach der st. Rspr. des BGH allerdings der Vollerwerb. Maßgebender Zeitpunkt für die rechtsgeschäftliche Veräußerung ist die Vollendung des Veräußerungsvorgangs. Er erfordert z.B. bei Grundstücken neben der Einigung die Grundbucheintragung (BGHZ 100, 161) und bei aufschiebend bedingten Übereignungen den Eintritt der Bedingung (BGH NJW-RR 89, 211), z.B. bei Übereignung unter Eigentumsvorbehalt die Zahlung des Restbetrages. Dieser formale Veräußerungsbegriff ist aus Gründen der Rechtssicherheit geboten, weil die an die Veräußerung geknüpften Rechtsfolgen, z.B. der Beginn des Versicherungsschutzes für den Erwerber, aber auch die Dauer der gesamtschuldnerischen Prämienhaftung sowie der Beginn der Kündigungsfristen eine sichere und schnelle Feststellung dieses Zeitpunktes verlangen (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 69 Rn 4 mit weiteren umfangreichen Nachweisen zur BGH-Rechtsprechung). Voraussetzung dafür, dass der Erwerber also in den Versicherungsvertrag eintritt, ist sein Eigentum zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls.
Tritt der Versicherungsfall vorher ein, also bevor der Erwerb des Vollrechts stattgefunden hat, so ist der Versicherungsvertrag nicht erloschen, allerdings ist Versicherungsnehmer noch der Veräußerer … Der Versicherungsvertrag erlischt nicht, auch wenn er jetzt fremde Interessen abdeckt, nämlich die des Erwerbers, Das ändert aber nichts daran, dass Versicherungsnehmer und damit Anspruchsberechtigter im Versicherungsfalle noch nicht der Erwerber geworden ist, sondern noch der Veräußerer ist. Aktiv legitimiert ist der Veräußerer solange, bis der Erwerbsvorgang abgeschlossen ist.
So liegt der Sachverhalt hier. Die Beweisaufnahme hat die Überzeugung des Gerichts begründet, dass zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls, nämlich am 21.7.2006, der Kläger nicht Eigentümer des Fahrzeugs war. Das Eigentum am Fahrzeug hätte der Kläger nur über das Autohaus erlangen können. Der hierzu vernommene Zeuge X, der Verkäufer des Autohauses, gab in seiner Vernehmung zwar an, dass er grundsätzlich wisse, wie ein Eigentumserwerb stattfindet, jedoch hat sich diese Selbsteinschätzung als falsch herausgestellt.
In seiner Vernehmung im Termin vom 12.1.2010 berichtete er, dass die übliche Vorgehenswelse beim Verkauf eines Fahrzeugs die sei, dass zunächst über den Preis verhandelt wird und wenn der klar sei, folgen Rechnungslegung, Bezahlung und danach die Lieferung. So sei das übliche Prozedere. Auch war ihm bewusst, dass ein Fahrzeug, welches fremdfinanziert ist, der finanzierenden Bank gehört. Er bestätigte auch im vorliegenden Fall, dass der Lkw fremdfinanziert war und der Brief noch bei der finanzierenden Bank lag, also gar nicht dem Au...