Zunächst wurde auch durch den BGH die Auffassung vertreten, dass unterhalb einer kollisionsbedingten Geschwindigkeit von 10 km/h eine Verletzung der HWS unwahrscheinlich ist, weshalb ein entsprechender Schmerzensgeldanspruch nicht begründet ist.
In seiner Entscheidung vom 28.1.2003 hielt der BGH an dieser Auffassung nicht mehr fest und verwies darauf, dass bei der Beurteilung einer eventuellen unfallkausalen HWS-Distorsion die so genannte Harmlosigkeitsgrenze, bei der biomechanisch eine Verletzung unwahrscheinlich ist, nicht schematisch angewandt werden darf, sondern weitere Umstände hinzutreten müssen, um auf eine Unfallkausalität schließen zu können.
Dies hat der BGH in seinen Entscheidungen vom 3.6.2008 und vom 8.7.2008 nochmals bekräftigt und ausdrücklich betont, dass es auf die Einzelbetrachtung ankommt. Nicht mehr und nicht weniger.
Vereinzelt wird trotzdem in Entscheidungen ausgeführt, dass der BGH entschieden hätte, dass es keine Harmlosigkeitsgrenze gäbe.
Die so genannte Harmlosigkeitsgrenze stellt jedoch ein sehr wesentliches Indiz für die Beurteilung einer erlittenen HWS-Distorsion nach einem Unfall dar, da eine Verletzung der HWS nur dann verursacht werden kann, wenn die einwirkende biomechanische Belastung auf den Insassen höher ist als die individuelle Belastbarkeit des betroffenen Körperteils (HWS) des Insassen zum Zeitpunkt der Belastung.
Ohne eine solche einwirkende biomechanische Belastung kann eine Verletzung der HWS nicht hervorgerufen werden, weil sie per se nicht wahrscheinlich ist.
Um diesen Zusammenhang zwischen einwirkender biomechanischer Belastung auf den Insassen und dessen individueller Belastbarkeit zu klären, bedarf es einer biomechanischen und wissenschaftlichen interdisziplinären medizinischen Begutachtung, damit sichergestellt werden kann, dass die beklagten Beschwerden tatsächlich kausal durch das Unfallereignis verursacht wurden.
2. 1. Zwischenfazit
Der BGH hat die so genannte Harmlosigkeitsgrenze nicht verworfen, sondern klargestellt, dass es auf die Einzelumstände ankommt, die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind, so dass die entsprechenden Gutachten einzuholen sind, um eine richterliche Überzeugungsbildung herbeizuführen.
Es geht um Versicherungsleistungen von 500 Millionen EUR im Jahr, so dass jedes Verfahren verantwortungsbewusst zu führen ist, auch wenn es nur um Schmerzensgeldbeträge bis zu 2.000 EUR geht.