Die Anhörung des Anspruchstellers ist ein wesentlicher Bestandteil der Beweisaufnahme und auch evident für dessen Glaubwürdigkeit und -haftigkeit im Rahmen der Beweiswürdigung, jedoch sind diese Aussagen immer in den Kontext zu den weiteren Umständen des Unfallgeschehens zu stellen.
In die Aussagen des Anspruchstellers werden regelmäßig subjektive Umstände des Unfallgeschehens und der danach empfundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen einfließen, die von tatsächlichem Empfinden bis hin zu Theatralik und kognitiver Verinnerlichung einer gefühlten Verletzung durch das Unfallereignis geprägt sein können.
Hier obliegt es dem Gericht, eine Befragung vom Kerngeschehen (Aussage, dass der Geschädigte über Schmerzen geklagt hat) zum Randgeschehen (Umstände vor und nach dem Unfallgeschehen und den Umständen der Bekundung von Schmerzen) vorzunehmen, um verifizieren zu können, was sich tatsächlich zugetragen hat.
Bei dieser Befragungstechnik kommt es auch auf Nebensächlichkeiten an, die das erlebte Unfallgeschehen so zu sagen plastisch erscheinen lassen. So z.B., wie war das Wetter; wie waren die Straßenverhältnisse, aus welchen Gründen befand man sich am Unfallort; welche Bekleidung wurde getragen und aus welchen Anlass; wie war der Tagesablauf vor dem Unfall; was ist nach dem Unfallgeschehen im Einzelnen passiert, etc?
Aber auch die Frage, wie der Betroffene allgemein das Verkehrsgeschehen beurteilt und wie er sein Fahrverhalten darauf eingestellt hat. Dies sind ganz einfache Fragen, die meistens bei der Befragung vergessen werden.
Häufig werden jedoch auch Suggestivfragen gestellt, die in ihrer Ja-Nein-Alternative keine Auseinandersetzung mit dem Erfragten ermöglichen.
Zu beachten ist auch die "Geschwindigkeit" der Schilderungen des Befragten zum Unfallgeschehen und die Reaktion auf gestellte Fragen. Ist sie fließend oder stockend; geprägt vom Bemühen, sich an Einzelheiten zu erinnern; passt die Wortwahl zum Habitus des Befragten etc? Aber auch nonverbale Zeichen des Befragten wie Erröten, Nervosität, hilfesuchende Blicke zu anderen Prozessbeteiligten usw. sind zu berücksichtigen, um sich ein "Bild" vom Anspruchsteller machen zu können.
Hier ist auf die Aussagepsychologie zurückzugreifen, dass Realitätskriterien und Warnsignale zu analysieren sind, weshalb man zunächst von einer neutralen Anfangswahrscheinlichkeit der Aussage ausgeht und sich dann den Realitätskriterien des Ereignisses nähert.
Der Geschädigte kann sich aufgrund des Zeitablaufes zwischen Unfall und Anhörung vor Gericht vorbereiten und seine Aussagen parat legen, weshalb der Richter gefragt ist, um nicht den Slogan bedienen zu wollen, dass man nur genug jammern muss, um etwas zu bekommen. Aber auch der den Versicherer vertretenden Anwalt ist gefordert, in dem er einen entsprechenden Fragekatalog vorbereitet hat, mit dem verfahrenstaktisch operiert werden kann.