Der behandelnde Arzt wird im Rahmen der Beweisaufnahme seine zuvor in einem ärztlichen Attest abgegebene Diagnose bestätigen und verteidigen, da er einerseits dem Eid des Hippokrates unterliegt und sich andererseits einer eigenen Inanspruchnahme wegen einer fehlerhaft bewussten oder unbewussten Attestierung gegenübersehen könnte.
Daher ist der behandelnde Arzt zu befragen, ob er neben der körperlichen Untersuchung auch eine Anamnese vorgenommen hat, d.h., dass er neben der durch den Patienten geschilderten Krankengeschichte auch Einsicht in Protokolle der Polizei, des Durchgangsarztes, des Hausarztes etc. genommen hat und die daraus gewonnenen Erkenntnisse auch einer technischen und biomechanischen Betrachtung unterzogen wurden.
In der Regel wird dies nicht der Fall sein, weshalb die Frage an den behandelnden Arzt gestattet sein dürfte, weshalb er diese Informationen nicht eingeholt hat und trotzdem zu seiner Diagnose gelangt ist. Von Interesse dürfte auch sein, ob es sich um einen ständigen oder einmaligen Patienten nach dem Unfallgeschehen handelte.
Die Kenntnis u.a. der einwirkenden biomechanischen Belastung ist aus medizinisch-sachverständiger Betrachtungsweise von besonderer Bedeutung, weil sie aus medizinischer Sicht das einzige trennscharfe Kriterium zur Differenzierung der unspezifischen Symptome einer HWS-Verletzung in Hinblick eines Zurechnungszusammenhanges zu dem Unfall darstellt.
In den vom Autor eingesehenen ärztlichen Attesten ist eine solche Informationseinholung eher nicht die Regel, weshalb die Aussagen des Arztes daher einer Überprüfung durch ein neutrales wissenschaftlich interdisziplinäres medizinisches Sachverständigengutachten zu unterziehen sind, welches durch ein biomechanisches Gutachten zu ergänzen ist.
Es ergibt sich eine Vielzahl von Fragen für den Richter und den Anwalt, die im Vorfeld der mündlichen Verhandlung erarbeitet werden sollten, was zwar bei der Fülle der zu bearbeitenden Vorgänge eine heroische Forderung seien dürfte, aber dem Rechtsstaatsgedanken zu Gute kommt.
In der Anhörung des Arztes dürfte auch die Frage gestattet sein, wann er seine letzte Fortbildung auf dem Gebiet der Diagnostik und Therapie von HWS-Verletzungen nach einem Verkehrsunfall hatte.