§ 11 FeV führt in den Abs. 2 und 3 bestimmte Sachverhalte an, die eine Anordnung eines fachärztlichen oder eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erlauben. Eine mögliche Berechtigung, vom Verkehrsteilnehmer die Vorlage eines Fahreignungsgutachtens zu verlangen, ergibt sich insbesondere aus § 11 III 1 Nr. 4 FeV. Danach kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung von Eignungszweifeln bei einem erheblichen Verstoß oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften unterhalb der Strafbarkeitsschwelle eine medizinisch-psychologische Begutachtung anordnen.
1. Konflikt mit Punktesystem
Darf die Fahrerlaubnisbehörde nun beispielsweise schon bei drei in kurzen Zeitabständen begangenen Geschwindigkeitsverstößen auf die Nichteignung des Fahrerlaubnisinhabers schließen, auch wenn der Betroffene hierfür nur insgesamt 9 (3 × 3) Punkte in der Verkehrszentralkartei erhalten hat? Hier ergeben sich im besonderen Maße Abgrenzungsschwierigkeiten zu anderen fahrerlaubnisrechtlichen Instrumenten wie dem Punktesystem. Nach § 4 III 1 Nr. 3 StVG gilt der Betroffene erst dann als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn sich 18 oder mehr Punkte ergeben.
Das Gesetz sieht einen Automatismus vor, nach der auf die Ungeeignetheit zu schließen ist, ohne dass weitere Gesichtspunkte hinzukommen müssten. Allerdings findet nach § 4 I 2 StVG das Punktesystem keine Anwendung, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer Maßnahmen aufgrund anderer Vorschriften, insbesondere die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 I StVG ergibt. Die Rechtsprechung vertritt die Auffassung, dass die Fahrerlaubnis gem. § 3 I StVG zu entziehen sei, wenn sich ein Fahrerlaubnisinhaber etwa durch Zuwiderhandlungen, die der Punktebewertung unterliegen, als charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise, und zwar ohne dass es darauf ankäme, welche Maßnahme im Hinblick auf die erreichte Punktzahl nach § 4 III StVG zu ergreifen wäre. Damit sei ein Schutz der Allgemeinheit vor den von Mehrfachtätern im Straßenverkehr ausgehenden Gefahren auch dann gewährleistet, wenn nach dem Punktsystem die Voraussetzungen für eine Fahrerlaubnisentziehung (noch) nicht gegeben seien. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis außerhalb des Punktesystems wegen der diesem unterfallenden Verkehrsverstöße bedürfe es in jedem Falle zusätzlich der positiven Feststellung, dass aufgrund dieser Verstöße die Eignung aus charakterlichen Gründen ausgeschlossen sei. Lasse sich die Ungeeignetheit unmittelbar aus den Verkehrsverstößen ableiten, sei die Fahrerlaubnis wegen erwiesener Nichteignung zu entziehen.
2. Meinungsstand
Ordnungswidrigkeiten allein, auch wenn sie nach Art und Zahl Eignungsbedenken begründen sollten, berechtigen in Anwendung von § 11 III 1 Nr. 4 FeV nicht zur Anordnung eines Gutachtens. Anderes soll "in besonders krassen Fällen" gelten. Jedenfalls eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in einer Ortschaft um mehr als 100 % begründe aber für sich genommen (massive) Eignungszweifel noch nicht, so die Rechtsprechung.
Der Gesetzgeber habe Höchstgeschwindigkeitsüberschreitungen in den Katalog der Taten, bei deren Vorliegen der Strafrichter nach § 69 II StGB im Regelfall die Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu entziehen habe, nicht aufgenommen, der Katalog beschränke sich vielmehr auf Verkehrsstraftaten, erfasse also Verkehrs-Ordnungswidrigkeiten wie Höchstgeschwindigkeitsüberschreitungen gerade nicht.
Träten jedoch weitere Umstände, wie etwa andere dem Fahrerlaubnisinhaber vorzuhaltende Verstöße gegen Verkehrsvorschriften oder die konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer bei der (isolierten) Höchstgeschwindigkeitsüberschreitung hinzu, so könnten diese zusätzlichen Umstände zusammen mit der (erheblichen) Höchstgeschwindigkeitsüberschreitung Eignungszweifel oder – nach den Umständen des Einzelfalls – sogar Eignungsmängel begründen.