FeV § 28 Abs. 1 S. 1; Richtlinie 91/439/EWG Art. 8 Abs. 1, Abs. 6
Leitsatz
In Ungarn sind die aufgrund von gefälschten Nicht-EU-Führerscheinen ausgestellten Fahrerlaubnisse nicht kraft Gesetzes nichtig, sondern müssen zuerst für nichtig erklärt werden. Solange dies nicht geschieht, ist die ungarische Fahrerlaubnis gültig, auch wenn nach Aktenlage davon auszugehen ist, dass Grundlage für die Ausstellung des ungarischen Führerscheins ein gefälschtes (im Fall: philippinisches) Führerscheindokument war.
Da Deutschland nicht von der europarechtlichen Ermächtigungsnorm des Art. 8 Abs. 6 S. 3 RL 91/439/EWG Gebrauch gemacht hat, muss eine solche ungarische Fahrerlaubnis im Inland anerkannt werden. Diese Rechtslage ändert sich erst dann, wenn von der europarechtlichen Ermächtigungsnorm des Art. 8 Abs. 6 S. 3 RL 91/439/EWG Gebrauch gemacht wird. Für den vom Verwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz, dass ein bloßer Umtausch grundsätzlich keine Anerkennungspflicht des Aufnahmemitgliedstaates begründet, fehlt damit die notwendige Rechtsgrundlage.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BayVGH, Beschl. v. 3.5.2011 – 11 C 10.2938, 11 CS 10.2939, 11 C 10.2940
Sachverhalt
Die 1965 geborene Antragstellerin wendet sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Feststellung, dass sie nicht berechtigt ist, mit ihrer ungarischen Fahrerlaubnis fahrerlaubnispflichtige Kfz in der Bundesrepublik Deutschland zu führen, und begehrt Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Klageverfahren.
Die Antragstellerin beantragte am 23.12.1998 die Erteilung einer Fahrerlaubnis für die Klasse 3. Das Verwaltungsverfahren wurde von Amts wegen beendet, da die Antragstellerin weder die theoretische noch die praktische Prüfung abgelegt hatte.
Am 23.7.2008 wurde der Antragstellerin ein ungarischer Führerschein der Klassen B, T, M und K ausgestellt. Als Erteilungsdatum für die Fahrerlaubnisklassen ist unter Nr. 10 auf der Rückseite des Führerscheindokuments 11.7.2008 angegeben, unter Nr. 12 ist 70.D06-08-005666.PHL vermerkt.
Nach den polizeilichen Ermittlungen hat der Führerscheinerwerb über eine Vermittlungsagentur stattgefunden. Die Antragstellerin habe für den Umtausch der Fahrerlaubnis in Ungarn einen falschen philippinischen Führerschein mit der Nr. D06-08-005666 vorgelegt und aufgrund dieses Führerscheins einen echten ungarischen Führerschein erhalten. In dem ungarischen Führerschein werde das Datum der nicht stattgefundenen Führerscheinprüfung auf den Philippinen, nämlich der 11.7.2008 bescheinigt. Die Antragstellerin, die insgesamt sieben Kinder habe, beziehe Grundsicherung für Arbeitssuchende und sei am 9.4., 3.7. und 25.9.2008 persönlich in der Arbeitsagentur vorstellig gewesen. Die Informationen über den falschen philippinischen Führerschein habe die Polizei von Interpol Budapest erhalten.
Nach einem vom Polizeipräsidium Budapest in Auftrag gegebenen Urkundengutachten v. 15.10.2009 handelt es sich bei dem umgetauschten philippinischen Führerschein der Antragstellerin um eine nachgemachte Fahrerlaubnis. Die Fahrerlaubnis entspreche aufgrund der Herstellungsmethode, der typographischen bzw. Druckeigenschaften nicht den in den Philippinen eingeführten Fahrerlaubnissen, die Kartenformat in der Größe ID-1 haben.
Nach Anhörung stellte die Fahrerlaubnisbehörde mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid v. 13.9.2010 fest, dass die Antragstellerin nicht berechtigt ist, aufgrund ihrer am 23.7.2008 erteilten ungarischen Fahrerlaubnis fahrerlaubnispflichtige Kfz in der Bundesrepublik Deutschland zu führen (Nr. 1). Sie wurde verpflichtet, ihren ungarischen Führerschein zur Eintragung der fehlenden Berechtigung vorzulegen (Nr. 2), und für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage wurde ein Zwangsgeld angedroht (Nr. 4). Bei der ungarischen Fahrerlaubnis handle es sich um keine i.S.d. § 28 Abs. 1 S. 1 FeV gültige EU-Fahrerlaubnis. Die Antragstellerin sei nie im Besitz einer gültigen, umschreibefähigen philippinischen Fahrerlaubnis gewesen. Aus dem Umtausch in eine ungarische Fahrerlaubnis könnten der Antragstellerin keine darüber hinausgehenden Rechte erwachsen. Das angedrohte Zwangsgeld wurde mit Schreiben v. 11.10.2010 fällig gestellt.
Gegen den Bescheid v. 13.9.2010 erhob die Antragstellerin Klage und beantragte gleichzeitig, die aufschiebende Wirkung der Klage wieder herzustellen bzw. anzuordnen. Weiter beantragte sie, ihr für das Klageverfahren und für das Antragsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Mit Beschl. v. 29.10.2010 lehnte das VG den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Auf die Gründe der Beschl. des VG wird Bezug genommen.
Mit den dagegen eingelegten Beschwerden wird beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid v. 13.9.2010 unter Aufhebung des angefochtenen Beschl. des VG vom 29.10.2010 hinsichtlich der Nrn. 1 und 2 des Bescheides vom 13.9.2010 wieder herzustellen und hinsichtlich dessen Nrn. 4 und 5 (Nr. 5 betrifft die Kostenentscheidung) anzuordnen. Weiter wird beantragt, der Antragstellerin unter Auf...