" … Das AG M hat die Klage auf Zahlung restlicher Provision – allerdings nur im Ergebnis – zu Recht abgewiesen."
1. Die Kl. hat keinen Anspruch gegen die Bekl. auf Zahlung des eingeklagten Betrages i.H.v. 864,22 EUR aus der am 28.1.2008 abgeschlossenen “Vergütungsvereinbarung’. Selbst wenn die Kl. aufgrund der Abtretung v. 13.3.2008 Inhaberin des geltend gemachten Anspruchs geworden sein sollte, steht einer Zahlungspflicht der Bekl. aus der Vergütungsvereinbarung jedenfalls der Einwand des Rechtsmissbrauchs wegen Verpflichtung zur alsbaldigen Rückgewähr des Erlangten (§ 242 BGB … ) entgegen. Die Bekl. hatte nämlich ihrerseits gegen die I als Versicherungsvermittler einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung von Beratungspflichten (§ 63 VVG), der auf Befreiung von der aus der Vergütungsvereinbarung folgenden Verbindlichkeit gerichtet ist und den sie – ungeachtet etwaiger anderer Unwirksamkeitsgründe – der Kl. gem. § 404 BGB entgegenhalten kann:
a) Grundlage des Schadensersatzanspruchs der Bekl. ist § 63 VVG in der seit 1.1.2008 geltenden Fassung, da die Vermittlung des streitgegenständlichen Versicherungsvertrags am 21.1.2008 und damit nach Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes v. 23.11.2007 erfolgte …
b) Gem. § 63 VVG ist der Versicherungsvermittler zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem VN durch die Verletzung einer Pflicht nach § 60 oder § 61 entsteht, es sei denn, der Versicherungsvermittler hat die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben:
aa) Die I ist ausweislich der Vergütungsvereinbarung als Versicherungsvermittlerin i.S.v. § 59 Abs. 1 VVG, nämlich als Versicherungsvertreter von Lebensversicherungen im Auftrag der … , tätig geworden. Als solche hatte sie die Bekl. als VN, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person der VN und dessen Situation hierfür Anlass bestand, nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der von der VN zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben, § 61 Abs. 1 S. 1 VVG.
(1) Welche Anforderungen an Inhalt und Umfang von Beratung und Dokumentation gestellt werden müssen, ist eine Frage des Einzelfalls. Ausgangspunkt ist der erkennbare Beratungsbedarf des VN, der bei einem komplexen Produkt wie der Lebensversicherung i.d.R. höher ist, als bei einfachen Standardverträgen aus anderen Versicherungssparten (vgl. Schneider, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Vor § 150 Rn 80). Die Beratungspflicht umfasst nach allgemeinen Grundsätzen jedenfalls alle Umstände, die für den Entschluss des (künftigen) VN von wesentlicher Bedeutung sein können (vgl. BGH VersR 1981, 621); sie beschränkt sich nicht auf den vermittelten Vertrag, sondern kann sich auch auf weitere Konsequenzen des Vertragsabschlusses erstrecken (Dörner, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 61 Rn 20). Der Versicherungsvermittler muss den VN insb. dann aufklären, wenn er erkennen oder mit der nahe liegenden Möglichkeit rechnen muss, dass der ASt. aus mangelnden versicherungsrechtlichen oder versicherungstechnischen Kenntnissen nicht die für ihn zweckmäßigste Vertragsgestaltung gewählt hat. Stellt sich der Abschluss einer kapitalbildenden Lebensversicherung bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft dar, ist der VR entsprechend den von der Rspr. entwickelten Grundsätzen zur Aufklärung bei Anlagegeschäften verpflichtet, den VN bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen über alle Umstände verständlich und vollständig zu informieren, die für seinen Anlageentschluss von besonderer Bedeutung sind BGHZ 194, 39).
(2) Zu den hiernach erkennbar bedeutsamen Umständen, über die die I als Vermittler aufzuklären hatte, zählte im vorliegenden Fall, bei dem es um eine sog, “Nettopolice’ und damit um eine vom allgemein Üblichen abweichende Vertragskonstruktion ging, insb. auch ein deutlicher Hinweis auf das Schicksal der eingezahlten Prämien und die etwaige Verpflichtung, Provisionszahlungen auch nach einer vorzeitigen Vertragskündigung weiter erbringen zu müssen (so auch LG Wuppertal, Urt. v. 3.4.2012 – 16 S 46/11). Denn der durchschnittliche VN geht spätestens seit den viel beachteten – noch zum früheren Recht ergangenen – Entscheidungen des BGH v. 12.10.2005 (BGHZ 164, 297 ff.) und der daraufhin erfolgten gesetzlichen Neuregelung der Berechnung des Rückkaufswertes für sog. “Frühstornofälle’ (§ 169 Abs. 3 ff. VVG) davon aus, dass er im Falle der vorzeitigen Vertragskündigung einen Teil der von ihm eingezahlten Beiträge zurückerhält. Dabei wird der durchschnittliche VN, der nicht über versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse verfügt, regelmäßig nicht bedenken, dass sich diese Regelungen nur auf sog. “Bruttopolicen’ bezieht, bei denen die Abschluss- und Vertriebskosten in die Prämie einkalkuliert werden. Es liegt deshalb auf der Hand, dass der VR und der Vermittler, die von d...