Altersvorsorge mit Rürup-Rente – Anleger bekommt wegen Falschberatung sein Geld zurück
Ein Versicherungsvermittler hatte einem 41-Jährigen, der gerade am Ende eines Privatinsolvenzverfahrens stand und auf dem Sprung war sich selbstständig zu machen, eine Rürup-Rente zur Altersvorsorge vermittelt. Abgeschlossen wurde der Vertrag im Jahr 2010, die monatlichen Beiträge in Höhe von 200 Euro sollten bis zum Jahr 2036 gezahlt werden.
26 Jahre Beitragszahlungen vereinbart, Geld nicht vorzeitig verfügbar
Infolge der speziellen Konstruktion und der steuerlichen Förderung der Rürup-Rente war ein Zugriff auf das eingezahlte Kapital vor Ablauf des Vertrags am 1. Oktober 2036 nicht möglich.
Versicherter macht nach 5 Jahren Falschberatung geltend und verlangt Beiträge zurück
Der Mann zahlte eine Zeit lang die vereinbarten Beiträge. Nach fünf Jahren machte er geltend, dass er beim Abschluss des Vertrages falsch beraten worden sei. Der Vermittler habe ihn nicht darauf hingewiesen, dass er bis zum Zeitpunkt des Rentenbeginns nicht mehr an sein Geld komme. Hätte er das gewusst, hätte er den Vertrag nicht abgeschlossen, so der Mann.
Von der Versicherung verlangte er die Rückzahlung der bislang geleisteten Beiträge wegen Falschberatung. Doch die kam dem Ansinnen nicht nach und stellte den Vertrag lediglich beitragsfrei.
Gericht sieht Falschberatung
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat dem Mann weitestgehend Recht gegeben. Die beiden Beklagten, die Versicherungsgesellschaft und der Vermittler, sind zum Schadensersatz verpflichtet, weil die Beratung des Vermittlers fehlerhaft war, so das Gericht.
Konkret ist der Vermittler zum Schadensersatz in Höhe von 11.600 Euro gemäß § 63 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) verpflichtet, weil er seine Beratungspflichten gemäß § 61 VVG verletzt hat.
Beratungsdokumentation war nicht ordnungsgemäß
Nach Auffassung des Gerichts lag keine ordnungsgemäße Beratungsdokumentation vor. Das führt dazu, dass die Beweislast für die Einhaltung der Dokumentationspflichten beim Versicherungsvermittler liegt.
Der Vermittler hat seine Beratungspflichten in zweifacher Hinsicht verletzt. Zum einen, weil er nicht darüber aufgeklärt habe, dass der Anleger nicht vorzeitig an sein Kapital komme. Zum anderen, weil die Rürup-Rente keine geeignete Anlage für den Mann war.
Erste Pflichtverletzung: Vermittler hätte darauf hinweisen müssen, dass der Anleger nicht vorzeitig auf sein Geld zugreifen kann
Der Hinweis zur fehlenden Möglichkeit, sich das angesparte Kapital vorzeitig auszahlen zu lassen, war eine grundlegende Information, über die der Versicherer bzw. der Versicherungsvertreter den Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrags hätte aufklären müssen, so das Gericht. Denn in der Regel sei bei privaten Rentenversicherungsverträgen eine vorzeitige Auszahlung schon möglich. Die Rürup-Rente sei insofern ein Spezialfall, weil hier gesetzliche Regelungen im Zusammenhang mit den gewährten Steuervorteilen dazu führten, dass eine vorzeitige Auszahlung nicht möglich sei.
Wer sich für eine Rürup-Rente entscheide, habe keine Flexibilität hinsichtlich des eingezahlten Kapitals.
Zweite Pflichtverletzung: Rürup-Rente passte nicht zur persönlichen Situation des Anlegers
Die zweite Pflichtverletzung des Vermittlers sah das Gericht darin, dass die Rürup-Rente für den eben aus der Privatinsolvenz kommenden Versicherten, der sich frisch selbstständig machen wollte, kein geeignetes Vorsorge-Produkt war. Die wirtschaftliche Situation des Mannes sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit vielen offenen Fragen behaftet gewesen.
Eine private Rentenversicherung, bei der sich der Versicherungsnehmer auf 26 Jahre festlegt und eine vorzeitige Rückzahlung der Beiträge nicht möglich war, sei nicht zweckmäßig gewesen, so das Gericht.
Fazit: Der Versicherer haftet im Rahmen von § 6 Abs. 1, Abs. 5 VVG für den Beratungsfehler des Versicherungsvermittlers gemeinsam mit diesem als Gesamtschuldner.
(OLG Karlsruhe, Urteil v. 7.12.2021, 9 U 97/19)
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