VVG § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 § 117; KfzPflVV § 5 Abs. 3 S. 1; VV RVG Nr. 2300
Leitsatz
1. Der aufgrund der Trunkenheitsklausel (D.2.1 AKB 2008) gegenüber seinem VN zur Leistungskürzung auf null berechtigte VR wird gegenüber dem Geschädigten, soweit das Verweisungsprivileg des § 117 Abs. 3 S. 2 VVG eingreift, in Höhe des für diesen Fall vorgesehenen Betrags (D.3.1, D.3.3 AKB 2008), höchstens 5.000 EUR (§ 5 Abs. 3 S. 1 KfzPflVV), leistungsfrei.
2. Der Gegenstandswert für die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Geschädigten ist bei teilweiser Leistungsfreiheit des VR und Ausübung des Verweisungsprivilegs nach Beauftragung des Rechtsanwalts nicht um den Betrag zu kürzen, in dessen Höhe der VR leistungsfrei ist.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 4.4.2013 – 4 U 31/12
Sachverhalt
Der Kl. hatte vor dem LG S gegen den Bekl. zu 1 als Fahrer und gegen die Bekl. zu 2 als dessen Kfz-Haftpflichtversicherung den bei einem von dem Bekl. zu 1 verursachten Unfall an dem Fahrzeug des Kl. entstandenen Sachschaden i.H.v. 10.935,27 EUR geltend gemacht. Die für seinen Pkw im Unfallzeitpunkt bestehende Vollkaskoversicherung hatte der Kl. nicht in Anspruch genommen. Ferner machte der Kl. für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung Rechtsanwaltskosten i.H.v. 837,52 EUR geltend, die sich wie folgt berechnen:
1. 1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 10.935,27 EUR) |
683,80 EUR |
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
133,72 EUR |
Summe: |
837,52 EUR |
Die Bekl. zu 2 hatte vorgerichtlich die Schadensersatzforderung des Kl. als rechtlich unbegründet zurückgewiesen und ihn an den Schadensverursacher, den Bekl. zu 1, verwiesen. Bei diesem wurde zum Unfallzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration i.H.v. mindestens 2,45 Promille festgestellt.
Das LG S hat beide Bekl. gesamtschuldnerisch antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Bekl. zu 2 hat das OLG Saarbrücken diese als Gesamtschuldner mit dem Bekl. zu 1 verurteilt, an den Kl. lediglich 5.935,27 EUR und als außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten weitere 837,52 EUR zu zahlen.
2 Aus den Gründen:
[29] "… II. 3. c) Die Bekl. zu 2 ist jedenfalls gem. D.2.1 Abs. 1 S. 1 Fall 1, D.3.1 S. 2 ihrer AKB grds. zur Leistungskürzung auf null berechtigt. Die Folgen der Obliegenheitsverletzung werden allerdings durch D.3.2 Abs. 1 S. 1 der AKB der Bekl. zu 2 auf den Höchstbetrag von 5.000 EUR begrenzt."
[30] aa) Nach D.2.1 Abs. 1 S. 1 Fall 1 AKB darf das Fahrzeug nicht gefahren werden, wenn der Fahrer durch alkoholische Getränke nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Demnach obliegt es dem Fahrer, als Fahruntüchtiger kein Kfz zu führen, insb. nicht im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit (Knappmann in Prölss/Martin, a.a.O. AKB 2008 D. 2 Rn 2). Bei der Trunkenheitsklausel handelt es sich um eine Obliegenheit zur Verhütung einer Gefahrerhöhung, welche als Spezialregelung gegenüber den §§ 23 ff. VVG anzusehen ist und die gesetzlichen Vorschriften über die Gefahrerhöhung verdrängt (Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung 18. Aufl. AKB D.2 Rn 4). Dieser Obliegenheit hat der Bekl. zu 1 als VN und Fahrer zuwidergehandelt, indem er das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,45 Promille führte. …
[39] cc) Nach der Regelung unter D.3.2 Abs. 1 S. 1 der Vertragsbestandteil gewordenen AKB der Bekl. zu 2, welche D.3.3 AKB 2008 entspricht, ist die sich aus D.3.1 ergebende Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung dem VN und den mitversicherten Personen gegenüber jedoch – wie es § 5 Abs. 3 S. 1 KfzPflVV zulässt – auf den Betrag von höchstens je 5.000 EUR beschränkt.
[40] (1) Besteht die Leistungsfreiheit nur teilweise, z.B. weil sie im Falle einer Obliegenheitsverletzung auf Höchstbeträge gedeckelt ist, kann der VR das Verweisungsprivileg des § 117 Abs. 3 S. 2 VVG auch nur bis zur Höhe dieses Betrags ausüben (MüKo-VVG/Schneider, a.a.O. § 117 Rn 36; MüKo-VVG/Maier, a.a.O. KraftfahrtV Rn 146; Knappmann in Prölss/Martin, a.a.O. § 117 Rn 26). Der Kfz-Haftpflichtversicherer vermag den kaskoversicherten Unfallgegner infolgedessen nur i.H.v. 5.000 EUR an dessen Kaskoversicherung zu verweisen. Bezüglich des diesen Betrag übersteigenden Anspruchs ist der Kfz-Haftpflichtversicherer ebenso eintrittspflichtig wie für etwaige Sachfolgeschäden (MüKo-VVG/Maier, a.a.O. KraftfahrtV Rn 146; Knappmann in Prölss/Martin, a.a.O. D.3 AKB 2008 Rn 24 und § 5 KfzPflVV Rn 15). Also haftet die Bekl. zu 2 dem Kl. i.H.v. 5.935,27 EUR.
[41] (2) Die außerdem geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 10.935,27 EUR (Nr. 2300, 7001, 7008 VV RVG) von 837,52 EUR sind in voller Höhe zu ersetzen und nicht etwa unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 5.935,27 EUR zu kürzen. Der Geschädigte erteilt dem Rechtsanwalt nach einem Verkehrsunfall regelmäßig, und so auch hier, zunächst den Auftrag, den gesamten Schaden beim gegnerischen Haftpflichtversicherer geltend zu machen. Dazu ist der Geschädigte auch grds. berechtigt. Im Zeitpunkt der Beauftragung kann...