Zwar wird im Termin vor dem Bußgeldrichter in der Regel der Unfallgegner als Zeuge geladen; die meisten Bußgeldrichter gehen jedoch zutreffend davon aus, dass Zeugen oft nicht in der Lage sind, das Geschehen objektiv und korrekt darzustellen. Oftmals handelt es sich nur um so genannte "Knallzeugen", die durch das Kollisionsgeräusch erst auf das Geschehen aufmerksam geworden sind. Erfahrungsgemäß vermischen Zeugen Wahrnehmungen mit Schlussfolgerungen und haben damit gedanklich ein falsches Szenario gespeichert. Hinzu kommt, dass unfallbeteiligte Zeugen trotz ihrer Wahrheitspflicht oftmals parteiisch sind und ein (finanzielles) Interesse am Ausgang des Prozesses haben, zumal der Unfall oft noch nicht von der Kfz-Haftpflichtversicherung reguliert ist. Der unfallgegnerische Zeuge neigt in aller Regel dazu, ein eigenes Verschulden abzustreiten.
1. Gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten
Bestreitet der Betroffene die (Mit-)Verantwortlichkeit am Verkehrsunfall, so beantragt die Verteidigung die Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens beim zuständigen Amtsgericht. Häufig bringt der Sachverständige im mündlich oder schriftlich erstatteten Gutachten überraschende Tatsachen zu Tage und stellt fest, dass nicht der Betroffene, sondern der Unfallgegner die Kollision durch ein Fehlverhalten herbeigeführt hat oder jedenfalls ein überwiegendes Verschulden des Unfallgegners anzunehmen ist. Allein die Beantragung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens kann auch bereits zur Einstellung des Bußgeldverfahrens beitragen, da viele Bußgeldrichter dies im Verhältnis zum Tatvorwurf nicht für angemessen halten.
2. Privatsachverständigengutachten
Weigert sich das Gericht zur Einholung eines Gutachtens, kann/sollte der Betroffene ein Privatgutachten zum Unfallhergang in Auftrag geben. Zwar muss der Betroffene im Bußgeld- und Strafrecht nicht seine Unschuld nachweisen, sondern die Strafverfolgungsorgane dem Betroffenen ein Verschulden. Die Zeichen stehen jedoch ohne Privatgutachten auf Verurteilung, wenn belastende Zeugenaussagen vorliegen und z.B. ein Gutachten durch das Gericht bereits eingeholt wurde.
Besteht eine Rechtsschutzversicherung, so ist ein Privatsachverständigengutachten von der Deckungszusage umfasst. Sofern dieses für die Verteidigung im Ordnungswidrigkeitenverfahren erforderlich ist, hat der Betroffene kein finanzielles Risiko und der Rechtsschutzversicherer trägt – im Gegensatz zum Zivilverfahren (Unfallregulierung) – im Rahmen der Verteidigung gegen den Vorwurf einer Verkehrsordnungswidrigkeit auch die Kosten eines Privatgutachtens. Aber auch sonst ist im Falle der Verfahrensförderung die Erstattungsfähigkeit eines Privatgutachters zu bejahen, wenn er vor Gericht vernommen wurde. Das Gericht hat auf Antrag nach § 220 Abs. 3 StPO anzuordnen, dass diesem die gesetzliche Entschädigung aus der Staatskasse zu gewähren ist.
Angesichts der Bearbeitungszeit von mehreren Wochen durch den Sachverständigen ist es notwendig, das Privatgutachten rechtzeitig zu beauftragen, damit es in einem Bußgeldverfahren noch berücksichtigt werden kann. Wenn das Fahrzeug des Betroffenen noch zur Verfügung steht, ist es meist notwendig, auch die Unfallspuren beim unfallgegnerischen Pkw zu untersuchen, um den Verkehrsunfall zu rekonstruieren. Der Privatgutachter muss daher Lichtbilder zunächst bei den Versicherungen anfordern, wenn die Qualität der Aufnahmen der Polizei aus der Bußgeldakte nicht ausreicht. Spätestens zur bußgeldrechtlichen Verhandlung muss das Privatgutachten jedoch fertig gestellt sein. Kommt dieses zu vorteilhaften Ergebnissen, sollte es rechtzeitig vor dem Gerichtstermin eingereicht werden. Womöglich erklärt sich der Bußgeldrichter gem. § 47 Abs. 2 OWiG aus Opportunitätsgründen zu einer Einstellung des Bußgeldverfahrens bereit. Stellt das Gericht die Ordnungswidrigkeit nicht ein und kommt es zu einem Termin, so sollte die Verteidigung auf eine Ladung des Privatgutachters bestehen, ansonsten wird es oftmals unbeachtet gelassen.
Weigert sich das Gericht, den Privatsachverständigen zu laden, etwa mit dem Argument, es sei bereits ein Gutachter gerichtlich bestellt worden, kommt die Verteidigung nicht umhin, über die Vorschriften des Selbstladungsverfahrens gem. §§ 220, 38 StPO und § 46 Abs. 1 OWiG vorzugehen. Hierdurch kann die Ladung und Vernehmung des vom Betroffenen in Auftrag gegebenen Privatgutachters letztlich erzwungen werden.