Auf winterliche Witterungsverhältnisse müssen sich die Verkehrsteilnehmer grundsätzlich einstellen.
Bei der Abwägung der jeweiligen Verschuldens- und Verursachungsbeiträge des Geschädigten und des Verantwortlichen ist zu berücksichtigen, dass Verkehrssicherungspflichtverletzungen nur in dem Maße zu einer Haftung führen können, in welchem sich für den Geschädigten ein nicht anders abzuwendendes und für ihn nicht erkennbares allgemeines Lebensrisiko verwirklicht. Bei Gefahren, welche jedem vor Augen stehen und vor denen man sich ohne weiteres selbst schützen kann, sind die Anforderungen an die Gefahrsicherung herabgesetzt. Insbesondere besteht kein allgemeines Gebot, andere vor Selbstgefährdung zu schützen. Wer sich sehenden Auges auf eine erkennbar glatte Fläche begibt, muss eine Mithaftung von mindestens ⅔ akzeptieren.
Nach der Ansicht des LG Neuruppin liegt ein Mitverschulden in Höhe von 50 % vor, wenn ein sorgfältig handelnder Mensch Anhaltspunkte für eine Verkehrssicherungspflichtverletzung hätte rechtzeitig erkennen können und er die Möglichkeit besaß, sich auf die Gefahr einzustellen.
Dementsprechend führt es zu einem Mitverschulden, wenn zu erkennen ist, dass eine Gehwegfläche nach einem Schneefall weder von Eis noch von Schnee geräumt noch mit abstumpfenden Mitteln bestreut wurde. In diesem Fall hat der Benutzer des Weges Anlass zu gesteigerter Aufmerksamkeit und Vorsicht. Kommt er beim Betreten des Wegs zu Fall, so spricht dies auch nach Ansicht des OLG Bremen in der Regel dafür, dass er die gebotene Vorsicht außer Acht gelassen hat und ihm daher ein Mitverschulden anzurechnen ist.
Das OLG Brandenburg bewertete ein Mitverschulden der Klägerin mit 40 %, nachdem diese den Arm ihres Ehemannes losgelassen hatte, um entgegenkommenden Fußgängern auszuweichen. Den Arm des Ehemannes hatte die Klägerin zuvor als Stütze gewählt, um einen Sturz zu verhindern. Diese Stütze hatte die Klägerin freiwillig aufgegeben.
Rutscht ein selbst gehbehinderter Benutzer auf einem schneebedeckten Gehweg aus, weil er einem entgegenkommenden gehbehinderten Benutzer mit einem Rollator Platz macht, beträgt die Quote des Mitverschuldens 20 %.
Eine Mithaftung kann auch damit begründet sein, dass der Geschädigte sich nicht auf die Wetterlage eingestellt hat und zum Sturzzeitpunkt ungeeignetes Schuhwerk, beispielsweise Sommerslipper anstatt Winterschuhe trug.
Autor: RAin Christiane Klein und RA Thomas Glas , München
zfs 8/2014, S. 424 - 431