ZPO § 91 Abs. 1 § 756 Abs. 1 § 788 Abs. 1 S. 1; VV RVG Nr. 3309
Leitsatz
1. Der Gläubiger eines Titels, der eine Vollstreckung nur Zug um Zug erlaubt, kann die für das Angebot der Gegenleistung durch den Gerichtsvollzieher entstehenden Gerichtsvollziehergebühren im Regelfall als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung von dem Schuldner erstattet verlangen.
2. Gleiches gilt für die Anwaltskosten, die durch die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe bei der Beauftragung des Gerichtsvollziehers ausgelöst werden.
BGH, Beschl. v. 5.6.2014 – VII ZB 21/12
Sachverhalt
Die Gläubiger hatten gegen die Schuldnerin ein Urteil erwirkt, in dem letztere zu einer Zahlung Zug um Zug gegen Aushändigung von Inhaberschuldverschreibungen verurteilt worden war. Die Gläubiger erteilten über ihre damaligen Verfahrensbevollmächtigten dem Gerichtsvollzieher (GV) den Auftrag, die Inhaberschuldverschreibungen der Hauptzahlstelle der Schuldnerin in F. anzubieten. Auf Bitten des GV übersandten die Anwälte der Gläubiger diesem zusätzlich einen Vollstreckungsauftrag, in dem neben dem Angebot der Inhaberschuldverschreibungen ein Antrag auf Pfändung und – für den Fall der Fruchtlosigkeit – auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung enthalten war. Mit Schreiben v. 15.1.2009 benachrichtigte der GV die Gläubiger über das erfolglose Angebot der Inhaberschuldverschreibungen und beurkundete zugleich den Annahmeverzug der Schuldnerin.
Auf Antrag der Gläubiger hat der Rechtspfleger des AG Frankfurt/Main – Vollstreckungsgericht – u.a. als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung die ihnen angefallenen Anwaltskosten i.H.v. 1.574,97 EUR und die vom GV abgerechneten Gebühren i.H.v. 18 EUR gegen die Schuldnerin festgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das LG Frankfurt/Main den Kostenfestsetzungsbeschluss insoweit abgeändert und den Kostenfestsetzungsantrag der Gläubiger zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Gläubiger führte zur Zurückverweisung an das LG Frankfurt/Main.
2 Aus den Gründen:
[8] "… II. 2. a) Nach der Rspr. des BGH gehören zu den Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 788 Abs. 1 ZPO alle Aufwendungen, die gemacht werden, um unmittelbar die Vollstreckung aus dem Titel vorzubereiten oder die einzelnen Vollstreckungsakte durchzuführen (vgl. BGH RVGreport 2006, 196 (Hansens) = AGS 2006, 214; RVGreport 2006, 111 (ders.) = NJW 2016,1141; AGS 2005, 416 m. Anm. Mock). Notwendig sind diese Kosten, wenn sie für eine Maßnahme angefallen sind, die der Gläubiger zum Zeitpunkt ihrer Vornahme bei verständiger Würdigung der Sachlage zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich halten durfte (vgl. BGH RVGreport 2013, 21 (ders.) = AGS 2013, 46; RVGreport 2010, 77 (ders.) = AGS 2010,155 m. Anm. N. Schneider und Mock; AGS 2005, 416 m. Anm. Mock = NJW 2005, 2460, 2462)."
[9] b) Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht die von den Gläubigern angemeldeten Anwalts- und GV-Kosten i.H.v. zusammen 1.592,74 EUR nicht als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung in diesem Sinne angesehen.
[10] aa) Grundlage der rechtlichen Beurteilung des Beschwerdegerichts, die hier im Streit stehenden Anwalts- und GV-Kosten seien der Kostenfestsetzung nicht zugänglich, ist die Erwägung, es handele sich um Kosten, die allein durch das Angebot der den Gläubigern aufgrund der Zug um Zug Verurteilung obliegenden Gegenleistung verursacht seien.
[11] Bereits diese Annahme ist zweifelhaft, denn sie beruht, was der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen hat (vgl. BGH NJW 2000, 3007), auf widersprüchlichen und unklaren Feststellungen des Beschwerdegerichts zu den zugrunde liegenden Gebührenabrechnungen.
[12] Auf Seite 3 der Beschwerdeentscheidung heißt es, die von den Verfahrensbevollmächtigten der Gläubiger abgerechneten Anwaltsgebühren i.H.v. 1.574,97 EUR seien “für die Beauftragung des Gerichtsvollziehers mit diesem Andienungsauftrag‘ angefallen. Dies steht im Widerspruch zu den in diesem Zusammenhang vom Beschwerdegericht in Bezug genommenen Schriftsätzen der Gläubiger v. 1.4.2011 und 17.5.2011. In diesen werden die im Streit stehenden Anwaltskosten nicht für den Andienungsauftrag, sondern für den am 12.1.2009 erteilten Vollstreckungsauftrag abgerechnet. Der Wortlaut dieser Schreiben spricht dafür, dass die Gebühren nicht isoliert für die Beauftragung des Gerichtsvollziehers mit dem Andienungsauftrag berechnet wurden, sondern der Andienungsauftrag als einheitliches Geschäft zusammen mit dem zusätzlich erteilten Vollstreckungsauftrag v. 12.1.2009 abgerechnet wurde.
[13] Auch die Feststellungen zu den GV-Kosten sind widersprüchlich und weisen Unklarheiten auf. Auf Seite 2 der Beschwerdeentscheidung wird ausgeführt, die Gerichtsvollziehergebühren i.H.v. 18 EUR seien “für die Andienung der Wertpapiere‘ in Rechnung gestellt worden. Die Kostennote des Gerichtsvollziehers i.H.v. 18 EUR liegt der Gerichtsakte nicht bei, so dass die abgerechneten Gebühren nicht unmittelbar nachvollzogen werden können. Auf Seite 4 der Beschwerdeentscheidung heißt es aber, der Andienungsauf...