SGB VII § 8
Leitsatz
1. Bei einer Dienst- oder Geschäftsreise endet der gesetzliche Unfallversicherungsschutz nicht an der äußeren Hotelzimmertüre des vom Arbeitgeber angemieteten Hotels.
2. Der Sturz einer Flugbegleiterin in ihrem Hotelzimmer während eines sog. Layovers ist auch dann noch ein Arbeitsunfall i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII, wenn er sich 12 Stunden nach vorheriger eigenwirtschaftlicher Tätigkeit ereignet hat, aber in einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit der Dienstreise steht.
3. Ein solcher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn sich die Versicherte auf dem Weg zur Nahrungsaufnahme befunden hat, da auch ein längeres Auseinanderliegen zwischen Essensaufnahme und Wiederaufnahme der dienstlichen Tätigkeit im ursächlichen Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit steht.
(Leitsätze des Einsenders)
SG Frankfurt/M., Urt. v. 26.11.2013 – S 8 U 126/12
Sachverhalt
Die Kl. ist als Flugbegleiterin tätig. Am Tag vor dem Unfall flog sie nach Indien und übernachtete in Madras in einem von ihrem Arbeitgeber gemieteten Hotelzimmer. Nach 12 Stunden Aufenthalt stolperte sie auf dem Weg zum Essen in ihrem Hotelzimmer über ein Betttuch und stürzte zu Boden. Um einen Aufprall ihres Gesichts zu verhindern, streckte sie nach ihrer Darstellung die Arme nach vorne und fiel mit der Hand auf den Fußteil eines Sessels. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland stellte sie sich zunächst in der Flughafenklinik und sodann in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in Frankfurt am Main vor. Dort wurde nach ambulanter und röntgenologischer Untersuchung ein Bruch des Mittelhandknochens der linken Hand diagnostiziert. Zwischen dem 5.10.2008 und dem 30.11.2008 bezog die Kl. von ihrer privaten Krankenversicherung Krankengeld. Sie teilte der beklagten Unfallversicherung mit, dass sie für diesen Zeitraum von ihrem Rentenversicherungsträger eine Fehlzeit gemeldet bekommen habe. Weiterhin gab sie der Bekl. bekannt, dass sie die Rentenversicherungsbeträge rückwirkend nicht mehr nachzahlen könne. Die Bekl. lehnte mit Bescheid die Zahlung von Entschädigungsleistungen aufgrund des Sturzes der Kl. ab. Bei dem Sturz habe sich die Kl. nicht bei der Verrichtung einer versicherten betrieblichen Tätigkeit als Flugbegleiterin befunden. Vielmehr habe es sich um eine rein private unversicherte Tätigkeit gehandelt, die nicht in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, der Dienstreise, gestanden habe. Ein solcher ursächlicher Zusammenhang hätte nur dann bestanden, wenn die besonderen räumlichen Verhältnisse der fremden Übernachtungsstätte den Unfall wesentlich bedingt hätten. Eine solche besondere Gefahrenlage habe jedoch nicht bestanden. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. Die Klage auf Feststellung, dass das Unfallereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen sei, hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … Die Klage ist zulässig und begründet."
Entgegen der Auffassung der Bekl. kommt es in diesem Fall nicht darauf an, dass sich bei dem Unfallereignis ein Risiko verwirklicht hat, das sich aus der Gefahr ergibt, sich in fremder Umgebung aufzuhalten. Denn die Wege von und zur Nahrungsaufnahme stehen immer unter Versicherungsschutz, auch wenn sich der Versicherte nicht auf einer Dienst- oder Geschäftsreise befindet, und zwar gleichviel, ob der Weg auf dem Betriebsgelände (Weg zur Betriebskantine zum Essen oder zur Beschaffung von Lebensmitteln, Getränken) zurückgelegt wird oder den Versicherten von diesem herunter durch den öffentlichen Verkehrsraum (zu einer Gaststätte, der eigenen Wohnung oder zu einem Kiosk/Lebensmittelgeschäft) führt (Wagner, in: jurisPK-SGB VII, § 8 SGB VII Rn 60).
Der Gesichtspunkt einer besonderen Gefährdung hat nur dann Relevanz, wenn sich der Versicherte im Rahmen einer Dienst- und Geschäftsreise auf dem Weg zu privatnützigen Zwecken (Spaziergang, Einkaufstour, etc.) befindet, namentlich auf Wegen im Hotel, für die grds. kein Versicherungsschutz besteht (vgl. BSG v. 22.9.1966 – 2 RU 16/65, juris). In diesem Fall kann ein rechtlich wesentlicher innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit Versicherungsschütz nach der Rspr. des BSG auch dadurch begründet werden, dass der Reisende gezwungen ist, sich bei seiner privaten Lebensgestaltung am Aufenthaltsort Risiken auszusetzen, die ihm während seines normalen Verweilens am Wohn- oder Beschäftigungsort nicht begegnet wären (so ausdrücklich: BSG, Urt. v. 18.3.2008 – B 2 U 13/07 R, juris Rn 14 ff.; vgl. im Übrigen die Übersicht zur Rspr. bei: Ricke, in: KK zum Sozialversicherungsrecht, 78. Ergänzungslieferung 2013, § 8 SGB VII Rn 129). Eine besondere Gefährdung für Wege nach und von der Essenseinnahme auf Geschäfts- oder Dienstreisen im Sinne einer zusätzlichen Voraussetzung ist nicht zu fordern.
Der Klage war daher stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.“
Mitgeteilt von RA Andreas Krämer, Frankfurt/M.
zfs 8/2014, S. 442 - 443