Laufzeit, Zinsfuß, Dynamisierung und Anspruch auf Kapitalisierung; zugleich Nachschau auf den 57. Verkehrsgerichtstag Goslar
A. Einleitung
Seit langer Zeit war die Diskussion über die Kapitalisierung von Schadenersatzansprüchen nicht mehr so lebhaft wie aktuell. Die bereits über viele Jahre anhaltenden Niedrigzinsen zwingen dazu, bei der Kapitalisierung von weit in die Zukunft hineinreichenden Ansprüchen die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Folge davon sind zahlreiche in den letzten Monaten erschienene Veröffentlichungen. Es wird nach einer ausgewogenen Lösung gesucht, wobei die Standpunkte, je nachdem aus welchem "Lager" die Beiträge stammen, teilweise sehr kontrovers sind.
Vorläufiger Höhepunkt der aktuellen Diskussion war der 57. Verkehrsgerichtstag in Goslar, wo sich der Arbeitskreis IV eingehend mit dieser Thematik befasste. Dieser Beitrag soll dazu dienen, den aktuellen Stand der Diskussion anhand der in diesem Zusammenhang erschienenen Veröffentlichungen in juristischen Fachzeitschriften zusammenzufassen, und konzentriert sich dabei auf die Kernpunkte Laufzeit, Zinsfuß, Dynamisierung und Anspruch auf Kapitalisierung.
B. Anzuwendende Kapitalisierungstabellen
Unabhängig von den einzelnen Faktoren und Schadensersatzansprüchen besteht Einigkeit dahingehend, dass bei der Bestimmung des Kapitalbetrages die jeweils aktuellen Kapitalisierungstabellen der Berechnung zugrunde zu legen sind.
C. Laufzeit
Bei der Frage der Laufzeit ist nach den einzelnen Ansprüchen zu unterscheiden.
Bei Heilbehandlungskosten und vermehrten Bedürfnissen besteht weitgehend Konsens dahingehend, dass diese grundsätzlich bis zum Lebensende zu kapitalisieren sind.
Bezüglich der Schadenpositionen Verdienstausfall- und Haushaltsführungsschaden herrschen allerdings weiterhin verschiedene Ansichten.
Die Laufzeit des Verdienstausfallschadens bemisst Lang bei vor 1947 geborenen Geschädigten bis zum 65. Lebensjahr und sieht den generellen Anspruch bis zum 67. Lebensjahr. Das ist sicher zutreffend bei Geschädigten, die bis zum Jahre 2030 das 67. Lebensjahr erreichen werden. Bei jüngeren Geschädigten, deren Renteneintrittsalter nach 2030 liegt, ist jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem späteren Rentenbeginn als mit Erreichen des 67. Lebensjahres auszugehen. Hierauf weisen u.a. Luckey, Car/Mittelstädt, Huber sowie Strunk hin. In der Tat ist die Tendenz in der Politik angesichts drohender Rentenfinanzierungslücken in dieser Hinsicht ganz eindeutig. Maßgebende Fachleute erwarten, dass bereits ab 2030 das Renteneintrittsalter deutlich angehoben wird.
Auch im Bereich des Haushaltsführungsschadens ist von deutlich längeren Laufzeiten auszugehen, als in der Vergangenheit von Literatur und Rechtsprechung angenommen wurde. Angesichts der ständig steigenden Lebenserwartung und der sich kontinuierlich verbessernden medizinischen Versorgung und höheren Lebensqualität im Alter ist eine Begrenzung auf das 75. Lebensjahr nicht mehr zeitgemäß. Heutzutage wird im Regelfall der Haushalt bis ins hohe Lebensalter noch weitgehend selbstständig erledigt. Folgerichtig wird nunmehr nahezu übereinstimmend vertreten, dass, jedenfalls immer dann, wenn es keine konkreten Anhaltspunkte für eine vorzeitige Beeinträchtigung der Haushaltsführung gibt, auch der Haushaltsführungsschaden bis zum Lebensende zu kapitalisieren ist.