BGB § 253 Abs. 1 § 823 Abs. 1 § 843 Abs. 1 § 1601
Leitsatz
Voraussetzung für den Ersatz des Haushaltsführungsschadens ist, dass eine vertragliche oder gesetzliche Pflicht zur Haushaltsführung besteht. Die sittliche Verpflichtung gegenüber einem hochbetagten Elternteil reicht hierzu nicht aus. Diese Verpflichtung kann aber im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung berücksichtigt werden.
OLG Schleswig, Urt. v. 3.4.2018 – 11 U 93/17
Sachverhalt
In der Berufungsinstanz dreht sich der Streit der Parteien darum, ob die aufgrund einer Verletzung der Streupflicht verunglücke Kl. Ersatz für Haushaltsführungsschäden verlangen kann. Zur Begründung hat die Kl. ausgeführt aufgrund ihrer unfallbedingten Verletzung nicht in der Lage gewesen zu sein, den Haushalt ihrer in einer eigenen Wohnung lebenden 98 Jahre alten Mutter führen zu können. Das LG hat der Kl. einen Schadensersatzanspruch von 2.240 EUR wegen eines Haushaltsführungsschadens zugesprochen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Bekl. hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"… [4] 1. Die Kl. hat gegen die Bekl. keinen Schadensersatzanspruch i.H.v. 2.240 EUR aus § 823 Abs. 1 BGB wegen unfallbedingter Einschränkungen bei der Haushaltsführung für ihre Mutter. Hierfür fehlt es an einer Anspruchsgrundlage."
[5] 1.1. Gesetzliche Grundlage des Anspruchs auf Ersatz eines Haushaltsführungsschadens ist § 843 Abs. 1 BGB. Danach ist dem Verletzten Schadensersatz durch Entrichtung einer Geldrente zu leisten, wenn infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert wird oder eine Vermehrung der Bedürfnisse eintritt. Soweit der Verletzte den eigenen Haushalt führt, sind seine Bedürfnisse vermehrt, weil eine Haushaltshilfe benötigt wird (vgl. BGH NJW-RR 1990, 34), unabhängig davon, ob diese tatsächlich in Anspruch genommen wird oder nicht. Wenn die Unterhaltsleistung gegenüber Familienangehörigen eingeschränkt ist, ist die Erwerbsfähigkeit gemindert (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl. 2018, § 843 Rn 8). Derjenige Ehegatte, der in der Ehe den Haushalt führt, bringt seinen nach § 1360 BGB geschuldeten Beitrag zum Familienunterhalt durch Einbringung und Verwertung seiner Arbeitskraft. Daraus folgt, dass er im Falle der Verletzung seiner Person und einem sich daraus ergebende Unvermögen zur Erfüllung der Haushaltsführungspflicht einen eigenen, wirtschaftlich messbaren Schaden erleidet, den der Schädiger zu ersetzen verpflichtet ist (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2006, 1535 = NZV 2007, 40).
[6] Kein Schadensersatz kann dagegen verlangt werden, wenn kein wirtschaftlich messbarer Schaden entsteht, das Vermögen also nicht gemindert wird. Denn gem. § 253 Abs. 1 BGB kann wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. Eine gesetzliche Bestimmung, die für Nachteile entschädigt, die dadurch entstehen, dass jemand im Falle einer Verletzung des Körpers einer sittlichen Verpflichtung nicht nachkommen kann, fehlt. Sittliche Verpflichtungen werden zwar gesetzlich nicht als irrelevant angesehen, sie sind aber bspw. in § 814 BGB berücksichtigt und können damit Rechtswirkungen entfalten. Eine Erweiterung von Ersatzpflichten im Bereich des Deliktsrechts bedarf allerdings einer entsprechenden gesetzlichen Regelung (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2006, 1535 = NZV 2007, 40). Die analoge Anwendung des § 843 Abs. 1 BGB auf diesen Fall ist deshalb nicht möglich. Zudem können derartige Beeinträchtigungen im Rahmen des Schmerzensgelds berücksichtigt werden. Dass es für Verletzte sehr belastend sein kann, wenn sie die eigenen pflegebedürftigen Eltern nicht durch Hilfe im Haushalt und Alltag unterstützen können, liegt auf der Hand.
[7] 1.2. Voraussetzung für den Ersatz des Haushaltsführungsschadens ist damit, dass eine vertragliche oder gesetzliche Pflicht zur Haushaltsführung vorlag. Daran fehlt es hier. Eine vertragliche Verpflichtung wird nicht behauptet. Eine gesetzliche Verpflichtung kam nach § 1601 BGB infrage, bestand im Ergebnis aber ebenfalls nicht. Nach dieser Vorschrift sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Elternunterhalt liegen nicht vor.
[8] Dahinstehen kann dabei, ob überhaupt ein Anspruch auf Unterhaltsleistung in Form der Haushaltsführung bestehen konnte. Gem. § 1612 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Unterhalt nämlich grds. durch Leistung einer Geldrente zu gewähren und nicht durch Haushaltsführung. Allerdings kann gem. § 1612 Abs. 1 S. 2 BGB der Verpflichtete auch verlangen, dass Naturalunterhalt geleistet wird, wenn besondere Gründe dies rechtfertigen. Für die Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem volljährigen Kind ist dies bejaht worden, hier können die Eltern auch zum Naturalunterhalt verpflichtet sein, bei Ausfall der Fähigkeit zu Leistung dieses Unterhalts also auch Ersatz verlangen (vgl. BGH NJW 2006, 2327 = NZV 2006, 467 = VersR 2006, 1081, Rn 19).
[9] Die Frage der Unterhaltsart kann aber letztlich offenbleiben, denn die gesetzliche...