Unter welchen Voraussetzungen dem Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs eine Terminsgebühr nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG oder Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3106 VV RVG anfällt, wird in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten durchaus unterschiedlich beurteilt. Dabei geht es in diesem Zusammenhang insb. um zwei Voraussetzungen des Gebührentatbestandes.
Schriftlicher Vergleich
Ob es sich um einen Vergleichsvertrag i.S.v. § 779 BGB handeln muss (so Hansens in: Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., Teil 8 Rn 236; Toussaint in: Kostenrecht, 50 Aufl. Nr. 3104 VV RVG Rn 41) oder ob der Abschluss eines Einigungsvertrags i.S.v. Nr. 1000 VV RVG genügt (so Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., Nr. 3104 VV RVG Rn 65), ist in der Literatur umstritten. Angesichts dieser von der Rspr. noch nicht entschiedenen Frage sollte der Prozessbevollmächtigte versuchen, diesen Gebührentatbestand der Terminsgebühr dadurch abzusichern, dass er vorsorglich einen Vergleichsvertrag mit gegenseitigem Nachgeben schließt.
Zivilgerichtsbarkeit
Mit seiner Entscheidung hat der BGH jedenfalls für die Zivilgerichtsbarkeit eine bisher umstrittene Rechtsfrage zur Anwendung der Gebührenvorschrift von Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG geklärt, wenn auch die Auffassung des BGH der h.M. in Rspr. und Literatur entsprochen hat. Insb. für die Frage, wann ein "schriftlicher Vergleich" vorliegt, ist die Lösung m.E. eindeutig. Was ein Vergleich ist, ist in § 779 BGB geregelt. Wann der Vergleich schriftlich ist, kann § 126 BGB entnommen werden. Zutreffend weist der BGH darauf hin, dass der Gebührentatbestand der Terminsgebühr in Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG für den schriftlichen Vergleich keine weiteren Voraussetzungen erfordert, insb. auch nicht den Abschluss eines Vergleichs vor Gericht in der Form des § 278 Abs. 6 ZPO.
Arbeitsgerichtsbarkeit
Auch in der Arbeitsgerichtsbarkeit setzt der Anfall der Terminsgebühr nicht voraus, dass ein schriftlich angenommener Vergleich auf einem in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlags des Gerichts beruht oder dass das Zustandekommen und der Inhalt des schriftlich angenommenen Vergleichs durch Beschluss des Gerichts festgestellt wird (LAG Hamburg RVGreport 2011, 110 [Hansens]).
Sozialgerichtsbarkeit
Demgegenüber ist die Frage, wann ein schriftlicher Vergleich i.S.d. insoweit mit Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG übereinstimmenden Regelung in Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3106 VV RVG vorliegt, in der Sozialgerichtsbarkeit immer noch heftig umstritten. Eine entsprechende Entscheidung des BSG liegt nicht vor.
Nach Auffassung einiger Sozialgerichte erfordert die Terminsgebühr nach Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3106 VV RVG den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs nach § 101 Abs. 1 S. 2 SGG oder nach § 278 Abs. 6 ZPO i.V.m. § 202 SGG (so etwa LSG NRW NZS 2015, 560; Bay. LSG RVGreport 2015, 342 [Hansens] = JurBüro 2015, 467; Nds. LSG RVGreport 2015, 461 [Ders.] = AGS 2016, 69 mit Anm. Hinne und N. Schneider; LSG Niedersachsen-Bremen RVGreport 2019, 137 [Ders.]).
Die im Vordringen befindliche Auffassung in der Sozialgerichtsbarkeit lässt demgegenüber auch einen außergerichtlichen schriftlichen Vergleich für den Anfall der Terminsgebühr genügen (LSG Mecklenburg-Vorpommern RVGreport 2018, 380 [Hansens]; LSG Berlin-Brandenburg RVGreport 2018, 455 [Ders.]; SG Neuruppin AGS 2016, 569; SG Dessau-Roßlau AGS 2017, 220 und die ganz überwiegende Auffassung in der Kommentarliteratur so etwa Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 3 RVG Rn 64 f.).
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit setzt sich die Auffassung durch, dass ein schriftlicher Vergleich i.S.v. Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG nicht allein ein Prozessvergleich gem. § 106 VwGO ist, sondern auch ein auf andere Weise geschlossener Vergleich (siehe Hess. VGH RVGreport 2020, 260 [Hansens]; a.A. OVG Berlin-Brandenburg AGS 2018, 10).
Vorgeschriebene mündliche Verhandlung
Auch die mit Hinweis auf meine Ausführungen in zfs 2016, 525, 526 und RVGreport 2018, 19, 20 und weitere Autoren gestützte Auffassung des BGH, im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei eine mündliche Verhandlung nicht i.S.v. Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG vorgeschrieben, überzeugt.
Die Frage, ob in dem betreffenden Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, stellt sich bei jeder Verfahrensart immer wieder neu, wie etwa, ob auch noch nach Änderung des § 522 Abs. 3 ZPO zur Prüfung der Zulässigkeit der Berufung eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist und die Terminsgebühr anfallen kann (so OLG Celle RVGreport 2013, 390 (Hansens) = AGS 2013, 326 m. zust. Anm. N. Schneider, dagegen Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Nr. 3104 VV RVG Rn 74). Der Gesetzgeber erfordert von dem für die Festsetzung der Kosten bzw. der Anwaltsvergütung des beigeordneten Rechtsanwalts zuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bzw. Rechtspfleger somit eine eingehende Befassung mit d...