VV RVG Abs. 1 Nr. 1 der Anl. zu Nr. 3104; ZPO § 128 Abs. 1 § 278 Abs. 6, 935 ff.
Leitsatz
1. Für die Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 RVG-VV genügt der Abschluss eines außergerichtlichen schriftlichen Vergleichs; nicht erforderlich ist, dass der Vergleich protokolliert oder sein Zustandekommen gemäß § 278 Abs. 6 ZPO seitens des Gerichts festgestellt wird.
2. Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 RVG-VV entsteht auch dann, wenn der schriftliche Vergleich in einem einstweiligen Verfügungsverfahren nach §§ 935 ff. ZPO geschlossen wird.
BGH, Beschl. v. 7.5.2020 – V ZB 110/19
Sachverhalt
Die ASt. hatte gegen die AG beim LG Berlin ohne mündliche Verhandlung eine einstweilige Verfügung erwirkt. Nachdem die Parteien einen außergerichtlichen schriftlichen Vergleich geschlossen hatten, hat die ASt. ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wieder zurückgenommen. Das LG Berlin hat die Kosten des Verfahrens der AG auferlegt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die ASt. auch eine 1,2 Terminsgebühr geltend gemacht. Der Rechtspfleger des LG hat diese Terminsgebühr abgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das KG mit der Begründung zurückgewiesen, in dem Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Verfügung sei gem. § 937 Abs. 2 ZPO eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben; sie stehe vielmehr im Ermessen des Gerichts. Die gegen die Entscheidung des KG gerichtete Rechtsbeschwerde hatte beim BGH Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"… III."
[4] … Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts entsteht die Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 VV RVG auch dann, wenn – wie hier – der schriftliche Vergleich in einem einstweiligen Verfügungsverfahren geschlossen wird.
[5] 1. a) Grds. entsteht die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG, wenn tatsächlich mündlich verhandelt wurde. Diesen Grundsatz erweitert Nr. 3104 Abs. 1 VV RVG. Nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 und 2 VV RVG erhält der Prozessbevollmächtigte die volle Terminsgebühr auch dann, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, entweder im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gem. § 307 ZPO oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Ebenso erhält der Anwalt nach Nr. 3104 Abs. 1 Var. 3 VV RVG eine Terminsgebühr, wenn in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird.
[6] b) Hier haben die Parteien das Verfahren aufgrund eines schriftlichen Vergleichs beendet, so dass eine Terminsgebühr auf der Grundlage von Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 VV RVG in Betracht kommt.
[7] 2. Für die Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 VV RVG genügt der Abschluss eines außergerichtlichen schriftlichen Vergleichs; nicht erforderlich ist, dass der Vergleich protokolliert oder sein Zustandekommen gem. § 278 Abs. 6 ZPO seitens des Gerichts festgestellt wird. In dem Gebührentatbestand ist allgemein von einem “schriftlichen' Vergleich die Rede. Die Vorschrift des § 278 Abs. 6 ZPO, die den “gerichtlichen' Vergleich regelt, wird nicht erwähnt, obgleich dies nahegelegen hätte, wenn eine gerichtliche Mitwirkung erforderlich sein sollte. Die Zuerkennung einer Terminsgebühr bei einem schriftlichen Vergleich ohne Beteiligung des Gerichts entspricht auch der Zielsetzung des Gesetzes. Nach der Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV RVG entsteht die Terminsgebühr für die Mitwirkung an außergerichtlichen Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind. Zur Entlastung der Justiz soll dem Rechtsanwalt ein Anreiz gegeben werden, in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen Beendigung des Verfahrens beizutragen (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 209). Kommt es aufgrund schriftlich geführter Korrespondenz zu einer Einigung, so ist kein Grund ersichtlich, den Rechtsanwalt schlechter zu stellen als denjenigen, der mit dem Bevollmächtigten der Gegenseite in einer Besprechung in Kontakt getreten ist, zumal das schriftliche Aushandeln eines Vergleichs nicht weniger aufwändig ist als ein Vergleich aufgrund einer Besprechung. Dem trägt Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 VV RVG Rechnung, indem auch bei Abschluss eines schriftlichen Vergleiches unter den dort genannten Voraussetzungen eine Terminsgebühr entsteht. Schließlich widerspräche es der Zielsetzung des Gesetzgebers, die Beilegung von Streitigkeiten möglichst ohne Inanspruchnahme der Gerichte zu fördern und den Anwälten einen diesbezüglichen Anreiz über die Gebühren zu geben, wenn eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 VV RVG nur bei zusätzlicher Tätigkeit des Gerichts nach § 278 Abs. 6 ZPO entstünde (vgl. OLG Köln zfs 2026,525 Rn 7 m. Anm. Hansens = RVGreport 2016, 259 (Hansens) = AGS 2016,391; AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, RVG, 8. Aufl. 2017, Nr. 3104 VV Rn 9 und 81; Bischof in Bischof/Jungbauer, RVG, 8. Aufl., Nr. 3104 VV Rn 54; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., Nr. 3104 VV Rn 69; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 278 Rn 41; BeckOK ZPO/Bacher [1.3.2020], § 278 Rn 46; Schneider NJW 2018, 523, 524; Hansens ...