§ 4 Abs. 4 BKatV ermöglicht "ausnahmsweise" von der Anordnung eines Fahrverbotes gegen "angemessene" Erhöhung des Regelbußgeldes im BKat abzusehen. Damit ist das Fahrverbot die Rechtsfolge bei typischen, aber nicht bei atypischen Fällen. In den folgenden Fällen hat das Gericht aufgrund besonderer Tatumstände auf die Anordnung eines Fahrverbotes als Nebenfolge verzichtet, ohne dass es auf Härtefallumstände bei Antritt eines Fahrverbotes angekommen wäre:
Fall 2: Ein erster Geschwindigkeitsverstoß vom 21.5.2015 mit 32 km/h Überschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften wurde am 4.8.2015 rechtskräftig, ohne dass der Betroffene Einspruch eingelegt hatte. Bei einen zweiten Verstoß mit 26 km/h Überschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften am 6.6.2016 legte der Betroffene Einspruch gegen den Bußgeldbescheid mit 120 EUR Bußgeld (50 % erhöht) und einem Monat Fahrverbot ein. Die Verteidigung trägt vor, dass beide Taten mehr als 12 Monate auseinander liegen und eine schnellere Behördenentscheidung eher zur Rechtskraft über die Entscheidung zur ersten Tat geführt hätte, was bei Sanktionszumessung zu berücksichtigen sei. Urteil: 160 EUR Bußgeld und kein Fahrverbot, zumindest Verdoppelung der Regelbuße wäre aber wegen der Voreintragung erforderlich.
Fall 3: Der nicht weiter vorbelastete Betroffene begeht eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 48 km/h außerorts auf einer Strecke mit fast durchgehend 70 km/h Höchstgeschwindigkeit, bei der auf einem kleinen Streckenabschnitt die Höchstgeschwindigkeit saisonal für wenige Wochen im Jahr nur für den Fledermausschutz auf 50 km/h herabgesetzt wird, was nicht allgemein bekannt war. Der Bußgeldbescheid setzte dafür die Regelsanktion von 160 EUR nebst einem Monat Fahrverbot fest. Urteil: 320 EUR ohne Fahrverbot, weil der Fahrlässigkeitsgrad bei einer saisonal herabgesetzten Höchstgeschwindigkeit ohne einen für die Verkehrssicherheit erkennbaren Grund geringer als durchschnittlich sei.
Fall 4: Wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes von 1,1 Sekunden verhängt ein Bußgeldbescheid bei einem nicht vorbelasteten Betroffenen die Regelsanktion von 200 EUR Geldbuße nebst einem Monat Fahrverbot. Die Verteidigung trägt vor, der Betroffene sei Rentner, der seine Mutter ein paar Tage vor der Tat in ein Pflegeheim geben musste, die er am Tattag zuvor bei einem sehr problematisch verlaufenden Geschehen besucht hatte und die drei Wochen später verstarb. Der Betroffene betreut regelmäßig seine minderjährigen Enkel und leistet für sie Fahrdienste. Urteil: Geldbuße von 400 EUR ohne Fahrverbot, in erster Linie wegen der besonderen Situation am Tattag und wegen fehlender Voreintragungen.