Beweisbeschlüsse zu den Härtefallumständen habe ich bislang nicht erlebt, wohl aber kritische Nachfragen.
Das Gericht hat die Wahrheit von Amts wegen zu erforschen, während den Betroffenen keine Darlegungs- und Beweislast trifft. So lautet der Grundtenor der Kommentierungen zur Beweisaufnahme in Bußgeldsachen, um unmittelbar danach und nicht frei von Widersprüchlichkeit davon auszugehen, dass es dem Betroffenen "obliegt", das Gericht auf Besonderheiten hinzuweisen oder Anknüpfungstatsachen vorzutragen, die für einen Verzicht auf ein Fahrverbot sprechen. Hinsichtlich der Abwendung eines Fahrverbotes sollten der Betroffene und die Verteidigung deshalb rechtzeitig die Darlegung und Glaubhaftmachung von Härtefall- oder anderen besonderen Umständen vorbereiten. Empfehlenswert ist die rechtzeitige schriftsätzliche Ankündigung, dass es dem Betroffenen um die Fahrverbotsvermeidung geht, verbunden mit der Anfrage, was das Gericht zur Glaubhaftmachung für erforderlich hält. Die Entbindung des Betroffenen von der Pflicht zur Hauptverhandlung zu erscheinen, kann dann eine erfolgreiche Fahrverbotsvermeidungsstrategie behindern, weil die überwiegende Zahl der Richter den persönlichen Eindruck vom Betroffenen für zwingend für eine Umwandlung hält. "Wenn es ihm um das Fahrverbot geht, muss er" sich schon die Mühe machen zu erscheinen!“ habe ich in Fällen der erfolgten Entbindung häufiger gehört. Soll bei einem weiten Anreisetermin für den Betroffenen sowohl die Entbindung als auch das Absehen vom Fahrverbot beantragt werden, empfiehlt es sich, schon aus diesem Grund gegenüber dem Gericht das Ziel der Verteidigung nicht erst in der Verhandlung vorzutragen.
Die Bereitschaft des Gerichts, sich auf eine Umwandlung des Fahrverbotes gegen eine Bußgelderhöhung einzulassen, wird durch einen Verzicht auf eine Beweisaufnahme subjektiv spürbar, aber objektiv kaum nachweisbar, gesteigert. Gibt die Ermittlungsakte nichts oder kaum etwas her, was die Messung hinreichend angreifbar machen könnte, kann es im Mandanteninteresse liegen, den Einspruch auf die Rechtsfolge zu beschränken und damit auch die Verhandlung zu beschleunigen. Liegen allerdings konkrete Zweifel an einer ordnungsgemäßen Messung vor, die sich auch auf die Rechtsfolge auswirken können, wäre eine zu frühzeitige Einspruchsbeschränkung auf die Rechtsfolge eventuell zum Schaden des Mandanten, wie der folgende Fall zeigt:
Fall 1: Der Betroffenen wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 41 km/h außerorts vorgeworfen. Aufgrund belastbarer Ansatzpunkte für einen zusätzlich vorzunehmenden Toleranzabzug von 1 km/h legte das Gericht schließlich einen Verstoß um 40 km/h zugrunde und verurteilte die Betroffene wegen einer Voreintragung zu einem um 10 EUR erhöhten Bußgeld von 130 EUR. Der damit verbundene Eintrag von einem Punkt wird nach 2½ Jahren getilgt. Die reine Verteidigungskonzentration auf eine Fahrverbotsumwandlung hätte selbst bei einem Erfolg zumindest eine Geldbuße von 240 EUR und den Eintrag von zwei Punkten im FAER nach sich gezogen, die zudem erst nach fünf Jahren nach Rechtskraft getilgt worden wären.