I. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte grundsätzlich ein Anspruch aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB analog auf Erstattung des für den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs bezahlten Kaufpreises abzüglich eines Vorteilsausgleichs für die Nutzung und des erzielten Verkaufserlöses zu (vgl. BGH, Urteile vom 30.7.2020 – VI ZR 367/19, NJW 2020, 2804 und vom 25.5.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316; Saarl. OLG, Urt. v. 14.2.2020 – 2 U 128/19, juris).

a) Die Beklagte hat den Kläger dadurch getäuscht, dass sie einen Motor mit einer nach den späteren Feststellungen des KBA unzulässigen Abschalteinrichtung entwickelt und sodann die Fahrzeuge mit einer erschlichenen Typgenehmigung zwecks Weiterveräußerung an Endkunden in den Verkehr gebracht hat (vgl. BGH, Urt. v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316; Saarl. OLG, Urt. v. 14.2.2020 – 2 U 128/19, juris).

b) Der beim Kläger durch die Täuschung entstandene Schaden liegt im Abschluss des Kaufvertrages. Denn der Kläger hätte nach der Lebenserfahrung den streitgegenständlichen Vertrag nicht abgeschlossen, weil wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung die Entziehung der EG-Typgenehmigung bzw. die Anordnung von Nebenbestimmungen sowie bei deren Nichterfüllung die Stilllegung des Fahrzeugs drohte, wodurch der Hauptzweck des Fahrzeugs, dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, bereits vor der tatsächlichen Stilllegung unmittelbar gefährdet war (vgl. BGH a.a.O.; Saarl. OLG a.a.O.). Auf die Geeignetheit des Software-Updates zur Mangelbehebung kommt es insoweit nicht an. Denn für die Frage, ob ein Schaden eingetreten ist, ist ausschließlich auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs abzustellen (vgl. BGH a.a.O.; Saarl. OLG a.a.O.).

c) Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 25.5.2020 a.a.O. und Saarl. OLG a.a.O.) ist das Inverkehrbringen von Fahrzeugen, deren Motorsteuerungssoftware – wie hier – bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden, durch die Beklagte auch als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB anzusehen. Der Bundesgerichtshof hat dabei angenommen, dass die grundlegende strategische Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software von den im Hause der Beklagten für die Motorenentwicklung verantwortlichen Personen, namentlich dem vormaligen Leiter der Entwicklungsabteilung und den für die Forschung- und Entwicklungsaktivitäten der Beklagten verantwortlichen vormaligen Vorständen, wenn nicht selbst, so zumindest mit ihrer Kenntnis und Billigung getroffen bzw. jahrelang umgesetzt worden ist, und hat entschieden, dass dieses Verhalten gemäß § 31 BGB der Beklagten zuzurechnen ist (BGB a.a.O.).

d) Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.5.2020 (BGH a.a.O.) ist auch von einem Schädigungsvorsatz der handelnden Personen, die Kenntnis von der sittenwidrigen strategischen Unternehmensentscheidung hatten, auszugehen (BGH a.a.O.).

e) Besondere Gründe, die ein Abweichen von den vorstehenden Grundsätzen, von denen auch die Kammer und der zuständige Berufungssenat bereits vorher ausgegangen sind (vgl. Saarl. OLG a.a.O.), rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

2. Anders als die Beklagte meint, steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen, dass der Kläger von dem ursprünglich mit der Verkäuferin vereinbarten verbrieften Rückgaberecht keinen Gebrauch gemacht, sondern das Darlehen durch Zahlung der Schlussrate vollständig abgelöst hat.

a) Allerdings wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertreten, dass ein Anspruch aus § 826 BGB mangels Schadens nicht in Betracht komme, wenn ein Kläger im Laufe des Verfahrens erster Instanz das Fahrzeug durch Ablösung der Restschuld freiwillig übernommen habe, anstatt den Wagen gegen Erstattung des vertraglich vereinbarten Restwerts an den Verkaufshändler zurückzugeben. Nach Vollerwerb die Summe aus Kaufpreis und Finanzierungskosten abzüglich Nutzungsvorteils zu verlangen, begründe den Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens, da der Kläger die Befreiung vom "ungewollten" Vertrag nicht mehr erreichen könne, nachdem er seine Handlungsfreiheit und wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht durch den (in Kenntnis der Abgasproblematik) herbeigeführten Vollerwerb gerade bewusst und gewollt ausgeübt habe (OLG Celle, Urt. v. 4.11.2020 – 7 U 1564/19, juris und NJW-RR 2020, 87; vgl. auch OLG Bamberg, Urt. v. 21.4.2021 – 8 U 246/20, juris).

b) Demgegenüber gehen andere Teile der obergerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass die Ablösung der Restschuld ohne Ausübung des verbrieften Rückgaberechts keine schadensrechtlichen Auswirkungen hat (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.6.2021 – 17 U 1162/19, juris; KG, Urt. v. 10.3.2020 – 14 U 85/19, BeckRS 2020, 6153; OLG Hamm, Urt. v. 23.11.2020 – 8 U 43/20, BeckRS 2020, 41423; OLG Koblenz, Urt. v...

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