[6] II. 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf den Streitfall § 12 StVG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 16.8.1977 (BGBl I S. 1577, im Folgenden § 12 StVG aF) anwendbar ist (vgl. Art. 12 des 2. Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.7.2002, BGBl I S. 2674). Danach haftet der Ersatzpflichtige nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG a.F. im Fall der Tötung oder Verletzung eines Menschen nur bis zu einem Kapitalbetrag von 500.000 DM oder bis zu einem Rentenbetrag von jährlich 30.000 DM (auch individuelle Höchstgrenze genannt), nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG a.F. im Fall der Tötung oder Verletzung mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis, unbeschadet der in Nr. 1 bestimmten Grenzen, nur bis zu einem Kapitalbetrag von insgesamt 750.000 DM oder bis zu einem Rentenbetrag von (jährlich) 45.000 DM (auch globale Höchstgrenze genannt).
[7] 2. Das Berufungsgericht ist auch zu Recht zu der Beurteilung gelangt, dass der Kapitalhöchstbetrag gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG a.F. oder § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG a.F. nicht zugleich die Höchstsumme der gemäß § 12 Abs. 1 StVG a.F. zu zahlenden Rentenbeträge darstellt. Die Regelungen der Kapitalhöchstbeträge sind nicht zusätzlich als weitere Höchstgrenze für die jährlichen Rentenbeträge heranzuziehen. Eine abweichende Auffassung wird zwar vom Oberlandesgericht Celle (vgl. OLG Celle, Urt. v. 22.6.2016 – 14 U 68/15, juris) und vereinzelten Stimmen in der Literatur (vgl. Lang, juris PR-VerkR 14/2017 Anm. 2; Lang, juris PR-VerkR 10/2019 Anm. 2; Walter in Beck OGK, Stand 1.9.2019, StVG § 12 Rn 9.1) vertreten, doch ist diese Auslegung vom klaren Wortlaut des Gesetzes nicht getragen, vom Zweck des Gesetzes nicht geboten und es finden sich für sie keine Anhaltspunkte in den Gesetzgebungsmaterialien.
[8] a) Bereits in § 12 des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3.5.1909 (RGBl S. 437; vgl. zur Entstehungsgeschichte Schubert, ZRG 2000, 238 ff.; von Gadow, Die Zähmung des Automobils durch die Gefährdungshaftung, 2002, S. 115 ff.) war bestimmt, dass der Ersatzpflichtige im Falle der Tötung oder Verletzung eines Menschen nur bis zu einem Kapitalbetrage von 50.000 Mark oder bis zu einem Rentenbetrage von jährlich 3.000 Mark, im Falle der Tötung oder Verletzung mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis, unbeschadet der in Nr. 1 bestimmten Grenze, nur bis zu einem Kapitalbetrage von insgesamt 150.000 Mark oder bis zu einem Rentenbetrage von insgesamt 9.000 Mark hafte. Die jährliche Höchstrente betrug danach 6 % vom höchsten Kapitalbetrag (vgl. Isaac, Kommentar zum Automobilgesetz, 1912, § 12 Anm. III 4 b). Dieses Verhältnis zwischen Kapital- und Rentenbetrag bestand noch in der im Streitfall anwendbaren Fassung von § 12 StVG a.F. In dem dem Reichstag vorgelegten Gesetzesentwurf (vgl. Verhandlungen des Reichstages 1909, Bd. 248, Aktenstück Nr. 988, S. 5593 vom 24.10.1908, abgedr. auch bei Hallbauer, Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen, 1909 Anl. B) fand sich diese Regelung in § 6. In der Begründung des Entwurfs war ausgeführt, dass für die Fälle der Verletzung von Personen "die Grenze alternativ zu bestimmen" sei, "je nach dem der Ersatz durch Entrichtung einer Geldrente oder durch Kapitalabfindung zu leisten" sei (vgl. a.a.O. S. 5600). Diese Regelung und die ihr nachfolgenden Regelungen (vgl. dazu ab 1909 Full in Müller, Straßenverkehrsrecht, Bd. I, 22. Aufl., § 12 StVG Rn 4; Schulz, NJW 1978, 255; Bollweg, NZV 2007, 599), die nahezu wortgleich zwischen Rente und Kapitalbetrag unterschieden, sind stets als Höchstbetragsalternativen ohne Begrenzung der Renten auf die Kapitalbetragshöchstsumme verstanden worden, je nachdem, ob gemäß § 13 Abs. 1 KFG/StVG der Schadensersatz durch Entrichtung einer Geldrente oder gemäß § 13 StVG Abs. 2 KFG/StVG i.V.m. § 843 BGB als Kapitalabfindung zu leisten war. In Erläuterungen der Norm wird ausgeführt, dass das Straßenverkehrsgesetz in § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG a.F. die jährliche Rente auf 15.000 DM begrenze, sie aber zeitlich unbegrenzt laufen lasse, so dass bei einem jüngeren Geschädigten, etwa wenn dieser noch 35 Jahre lebe, eine Gesamtleistung von mehr als einer halben Million zu erbringen wäre (vgl. Rinck, BB 1966, 480). Verlange der Verletzte vom Schädiger eine Rente, so laufe diese mit dem Rentenhöchstbetrag nicht etwa nur solange, bis die Summe des Kapitalhöchstbetrages erreicht sei, sondern darüber hinaus ohne zeitliche Grenze bis zum Tod des Berechtigten. Bei einer Laufzeit von mehr als 16 Jahren sei es mithin für den Verletzten oder Hinterbliebenen günstiger, die Rentenzahlung zu wählen (vgl. Full, Zivilrechtliche Haftung im Straßenverkehr, 1980, § 12 Rn 9; so auch Jahnke in Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl., § 12 StVG Rn 6 zu § 12 StVG mit den Höchstgrenzen des Schadensrechtsänderungsgesetzes vom 19.7.2002, BGBl I, S. 2674). Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung setzte die alternative und nicht kumulative Anwendung der Höchstbet...