RVG § 8 Abs. 1 § 45 Abs. 1 § 55 § 56; SGG § 67; BGB § 195 § 199
Leitsatz
1. Die Einrede der Verjährung kann auch gegen einen Antrag auf Vergütungsfestsetzung des beigeordneten Prozessbevollmächtigten erhoben werden.
2. Der den Antrag auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung stellende Rechtsanwalt hat sicherzustellen, dass sein Antrag bis zum Ablauf der Verjährungsfrist beim Gericht eingegangen ist.
3. Die die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffende Vorschrift des § 67 SGG ist bei Ablauf materiell-rechtlicher Fristen, zu der auch die Verjährungsfrist gehört, nicht anwendbar. (Leitsätze des Gerichts/der Schriftleitung)
LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24.2.2022 – L 3 R 85/21 B
Sachverhalt
In dem im Jahre 2009 beim SG Halle (Saale) eingeleiteten Sozialgerichtsprozess ging es um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Für dieses Klageverfahren hat das SG dem Kläger durch Beschl. v. 25.11.2009 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt. Der Rechtsstreit endete am 8.11.2012 im Termin zur mündlichen Verhandlung durch gerichtlichen Vergleich.
Am 17.7.2017 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers an das SG Halle/Saale und bat unter Hinweis auf seinen in Fotokopie beigefügten Festsetzungsantrag mit Datum vom 10.1.2013 um Mitteilung des Sachstandes. In diesem Antrag hatte der Klägervertreter beantragt, die ihm im Einzelnen aufgeführten Gebühren und Auslagen in Höhe von 780,46 EUR gegen die Landeskasse festzusetzen. Der hierzu gehörte Bezirksrevisor erhob gem. § 8 RVG; §§ 195, 199 BGB die Einrede der Verjährung.
Hieraufhin wies der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des SG Halle/Salle durch Beschl. v. 2.5.2018 den Festsetzungsantrag vom 10.1.2013 mit der Begründung zurück, der (erst) mit Eingang vom 17.7.2017 geltend gemachte Vergütungsanspruch sei verjährt. Die hiergegen von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers eingelegte Erinnerung hat das SG Halle mit der Begründung zurückgewiesen, der Klägervertreter habe nicht glaubhaft gemacht, dass er vor Ablauf der Verjährungsfrist einen Vergütungsfestsetzungsantrag gestellt habe.
Mit seiner hiergegen eingelegten Beschwerde hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers geltend gemacht, er habe die Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung rechtzeitig beantragt. Sein Antrag sei jedoch offensichtlich nicht zur Gerichtsakte gelangt. Er habe den Festsetzungsantrag vom 10.1.2013 persönlich in den hierfür vorgesehenen Nachtbriefkasten des Gerichts eingeworfen. Hierzu hat er eine anwaltliche Versicherung vorgelegt und weiter vorgetragen, wie seinerzeit im Anwaltsbüro mit dem Festsetzungsantrag vom 10.1.2013 verfahren worden sei.
Das LSG Sachsen-Anhalt hat die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
"II. … Anzuwenden ist das RVG in der Fassung bis zum 31.7.2013 (a.F.), denn die Beiordnung des Beschwerdeführers ist vor diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG)."
Zuständig für die Entscheidung ist die Berichterstatterin des 3. Senats, die als Einzelrichterin über die Beschwerde entscheidet (§ 33 Abs. 8 S. 1 RVG). Die Übertragung auf den Senat kam nicht in Betracht, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 33 Abs. 8 S. 2 RVG).
Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 und 3 RVG statthaft und zulässig; der Beschwerdewert übersteigt 200,00 EUR.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das SG hat dem Kläger mit Beschl. v. 25.11.2009 PKH gewährt und er war kostenprivilegierter Beteiligter i.S.d. § 183 Satz 1 SGG. Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).
Dem Anspruch des Beschwerdeführers auf Festsetzung der Vergütung nach § 55 RVG steht die durch den – seinerzeit zuständigen Bezirksrevisor – erhobene Verjährungseinrede entgegen.
Der Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers war mit Erledigung des Verfahrens am 8.11.2012 nach § 8 Abs. 1 RVG fällig und hätte bis zum 31.12.2015 geltend gemacht werden müssen. Dem Beschwerdeführer ist der Nachweis, dass der Antrag auf Vergütungsfestsetzung vom 10.1.2013 bis zum Ablauf der vorgenannten Verjährungsfrist beim SG eingegangen ist, nicht gelungen. Die von ihm geschilderten Abläufe, wie üblicherweise Post zum Justizzentrum H. gelangt, ersetzen diesen Nachweis nicht. Sie könnten allenfalls im Rahmen der Prüfung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei der Versäumung einer gesetzlichen Verfahrensfrist gemäß § 67 SGG maßgeblich sein. Die vorgenannte Vorschrift greift jedoch nicht für materiell-rechtliche Fristen, zu der die zur Disposition der Beteiligten stehende Verjährungseinrede mit den danach anzuwendenden Verjährungsfristen gehören, ein (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt...