BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1; VVG § 28; VGB 2011 § 23; Zusatzbedingung GB 3307 zur Gebäudeversicherung
Leitsatz
Eine Klausel, die dem VN die Obliegenheit auferlegt, zur Vermeidung von Überschwemmungs- bzw. Rückstauschäden bei rückstaugefährdeten Räumen Rückstausicherungen "funktionsbereit" zu halten, verstößt mangels Bestimmtheit gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 13.5.2022 – 7 U 71/21
Sachverhalt
Der Kl. begehrt von der Bekl. die Zahlung einer weiteren Entschädigung für einen Wasserschaden wegen Rückstaus aus einer Gebäudeversicherung für die die VGB 2011 gelten, Dort sind auch Elementargefahren – Überschwemmung, Rückstau (Zusatzbedingung: GB 3307) – versichert. Gemäß Ziffer 10 a) GB hat der VN zur Vermeidung von Überschwemmungs- bzw. Rückstauschäden bei rückstaugefährdeten Räumen Rückstausicherungen anzubringen und funktionsbereit zu halten.
Am 13.3.2019 bemerkten der Kl. und seine Ehefrau im Keller ihres Hauses Feuchtigkeit durch aufsteigendes Wasser, das aus den Abflüssen heraustrat. Ursache war der Ausfall der Rückstausicherung, nämlich der Ausfall der Hebepumpe, die in einem Drainageschacht angebracht war und das Wasser nach außen in den Straßenkanal pumpen sollte.
In einem Ortstermin am 25.6.2019 soll der Kl. – nach Behauptung der Bekl. – gegenüber dem von der Bekl. als Gutachter beauftragten Zeugen A geäußert haben, dass die vorhandene Rückstausicherung – bestehend aus einer Pumpe nebst Rückstauklappen – seit Errichtung des Hauses im Jahr 2008 noch nie geprüft und gewartet worden sei. Der Kl. hat demgegenüber behauptet, dass er geäußert habe, die Wartung der Rückstausicherung sei niemals durch ein Unternehmen, aber durch ihn persönlich erfolgt.
2 Aus den Gründen:
Dem Kl. steht gegenüber der Bekl. ein Anspruch auf Zahlung einer weiteren Entschädigung für den streitgegenständlichen Wasserschaden in Höhe von 11.401,34 EUR zu.
Im Rahmen der vorliegenden Wohngebäudeversicherung sind Elementarschäden durch Rückstau versichert (GB 3308 Ziffer 1 a, 2b). Ein solcher Rückstau ist eingetreten. Unstreitig kam es infolge von Niederschlägen zum Aufstauen von Abwasser bzw. Regenwasser im Pumpenschacht der Hebeanlage, das bestimmungswidrig in das Gebäude eingedrungen ist. Die notwendigen Aufwendungen zur Wiederherstellung der versicherten Sachen hat die Bekl. – abzüglich des vereinbarten Selbstbehalts (500,– EUR) – zu ersetzen. Nach Abzug der bereits geleisteten Zahlungen belaufen diese sich auf 11.401,34 EUR. Zu einer Leistungskürzung wegen grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung ist die Bekl. nicht berechtigt. Es fehlt an der wirksamen Vereinbarung einer Wartungsobliegenheit.
Nach Ziffer 10 a GB 3307 hat der VN zur Vermeidung von Überschwemmungs- bzw. Rückstauschäden bei rückstaugefährdeten Räumen Rückstausicherungen anzubringen und sie funktionsbereit zu halten. Der Obliegenheit zum Einbau einer Rückstausicherung ist der Kl. unstreitig nachgekommen. Eine Hebeanlage nebst Wasserpumpe und Rückstauklappen ist im versicherten Gebäude vorhanden. Die streitige Frage, ob und in welchem Umfang diese Einrichtungen regelmäßig zu warten waren bzw. tatsächlich gewartet wurden, kann dahingestellt bleiben. Die Obliegenheit, die Rückstausicherung "funktionsbereit" zu halten, verstößt mangels Bestimmtheit gegen das gesetzliche Leitbild i.S. des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Nach der st. Rspr. des BGH besteht das Wesen einer gefahrbezogenen Obliegenheit darin, dass sie dem VN nach Zustandekommen des Vertrages bestimmte Verhaltensweisen zur Erhaltung seines Versicherungsanspruchs vorschreibt, ihm also Handlungs- und Unterlassungspflichten auferlegt, die er beachten muss (vgl. BGH, VersR 1972, 85; VersR 2008, 961).
Wegen der einschneidenden Sanktionen, die an eine Obliegenheitsverletzung geknüpft sind, muss das auferlegte Tun oder Unterlassen ausdrücklich vereinbart sein, klar und eindeutig erkennen lassen, was im Einzelnen verlangt wird. Diese Auslegung des Obliegenheitsbegriffs gehört zum gesetzlichen Leitbild i.S. des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (BGH VersR 2009, 1659 m.w.N.).
An der Statuierung einer solchen klaren Handlungspflicht fehlt es vorliegend indes. Für den durchschnittlichen um Verständnis bemühten VN ist bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs der Klausel lediglich erkennbar, dass ihm über den Einbau der Rückstausicherung hinausgehend eine Pflicht zur Aufrechterhaltung deren Funktionsbereitschaft auferlegt werden soll. Da die Rückstausicherung funktionsbereit zu halten ist, könnte dies nach dem Verständnis des durchschnittlichen VN zwar auch im Sinne einer Wartungs- und nicht nur einer bloßen Reparaturverpflichtung zu verstehen sein, da das (Vor-)halten in funktionstüchtigem Zustands gefordert wird. Letztlich bleibt dies jedoch offen, wie ein Vergleich mit der abweichend formulierten Regelung in § 23 VGB 2011 zeigt. Danach sind die versicherten Sachen, insbesondere wasserführende Anlagen und Einrichtungen stets in ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten und Mängel oder Schäden unverzüglich zu bese...