[…] II. Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Die gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die zulässige Verfahrensrüge der Verletzung des § 261 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG, mit der die Einführung von Sachverständigenäußerungen aus einem Parallelverfahren beanstandet wird, hat Erfolg. Auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts kommt es deshalb nicht an.
Die Beweiswürdigung darf nur auf die Erkenntnisse der Hauptverhandlung gestützt werden, in der über den Einspruch des jeweiligen Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid entschieden wird. Der Inhalt anderer Hauptverhandlungen, auch solcher gegen andere Betroffene, gehört nicht zum Inbegriff der Hauptverhandlung im Sinne von § 261 StPO (vgl. nur LR/Sander StPO 26. Aufl. § 261 Rn 17). Der Tatrichter darf seiner Entscheidung über die Schuld- und Rechtsfolgenfrage nur die Erkenntnisse zugrunde legen, die er in der Hauptverhandlung nach den Regeln des Strengbeweises gewonnen hat. Unbeschadet der Möglichkeit eines Vorhalts darf der erkennende Richter dienstliches Wissen, das er außerhalb der Hauptverhandlung erlangt hat, als solches grundsätzlich nicht ohne förmliche Beweiserhebung zum Nachteil des Betroffenen verwerten, so etwa auch Äußerungen eines Sachverständigen in einem anderen Verfahren (vgl. BGHSt 19, 193, 195; 45, 354, 357; BGH NStZ 2013, 357; LR/Sander a.a.O. Rn 19).
Eine Ausnahme kann zwar für gerichtskundige Tatsachen gelten, wenn in der Hauptverhandlung darauf hingewiesen wurde, dass sie der Entscheidung als offenkundig zugrunde gelegt werden könnten. Gerichtskundig sind solche Tatsachen, die ein Richter in seiner amtlichen Eigenschaft, wenn auch nicht notwendig aufgrund eigener Amtshandlung, zuverlässig in Erfahrung gebracht hat (BGHSt 6, 292). Vorgänge, die sich in einem anderen Verfahren ereignet haben, können grundsätzlich gerichtskundig sein (LR/Becker StPO 27. Aufl. § 244 Rn 209). Allerdings ist die Annahme der Gerichtskundigkeit nach einhelliger Meinung nur eingeschränkt zulässig, weil mit der Behandlung einer Tatsache als gerichtskundig sowohl der Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 StPO durchbrochen als auch der Grundsatz des § 261 StPO eingeschränkt wird, wonach der Tatrichter seine Überzeugung nur auf den – in zulässiger Weise – zum Inbegriff der Hauptverhandlung gemachten Verfahrensstoff stützen darf (LR/Becker a.a.O. m.w.N.). Auf den Einzelfall bezogene Wahrnehmungen über Tatsachen, die unmittelbar für Merkmale des äußeren und inneren Tatbestandes erheblich oder mittelbar für die Überführung des Betroffenen von wesentlicher Bedeutung sind, dürfen daher nicht als gerichtskundig behandelt werden (vgl. BGH NStZ 2016, 123; BGHSt 45, 354, 358 f.; 47, 270, 274; BGH NStZ-RR 2007, 116, 117).
So verhält es sich hier. Auch wenn die mitgeteilten Angaben des sachverständigen Zeugen und Privatgutachters, welcher nach den Urteilsfeststellungen im Parallelverfahren als Sachverständiger behandelt und vergütet worden war, im Ergebnis zu einem höheren Toleranzabzug geführt haben und damit prima facie zugunsten des Betroffenen wirken, wurden die Angaben auch zulasten des Betroffenen verwendet, da das Gericht davon ausging, die "privatgutachterliche Überprüfung des Smear-Effekts" habe "den Messwert näherungsweise" bestätigt. Damit hat das Gericht sein Urteil in einem entscheidungserheblichen Punkt auf dienstliches Wissen gestützt. Solches darf indes nur nach Vernehmung der Auskunftsperson in der Hauptverhandlung verwertet werden (OLG Jena StraFo 2007, 65; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 64. Aufl. § 261 Rn 7), die bloße Bekanntgabe der Auskünfte durch den amtierenden Richter reicht nicht aus. Denn Beweisergebnisse, die auf komplexen, ausschließlich auf den Einzelfall bezogenen Wahrnehmungen eines Richters beruhen und die für die Überführung des Angeklagten von wesentlicher Bedeutung sind, dürfen selbst dann nicht als gerichtsbekannt behandelt werden, wenn sie “nur' mittelbar beweiserhebliche Indiztatsachen betreffen (BGHSt 45, 354, 358 f.). Dass es sich nicht um eigenes Wissen des Richters handelte, ergibt sich aus den Urteilsgründen, wonach lediglich die Aussage des sachverständigen Zeugen auszugsweise mitgeteilt wird.
III. Rechtsbeschwerde des Betroffenen:
Die statthafte (§ 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich bereits auf die Sachrüge hin – zumindest vorläufig – als erfolgreich, weil die vom Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit nicht tragfähig begründet ist. Auf die Rüge der Verletzung formellen Rechts kommt es deshalb nicht an.
1. Der Tatrichter stützt seine Überzeugung, dass der Betroffene außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Geschwindigkeit von 80 km/h um mindestens 56 km/h überschritten hat darauf, dass eine Messung mit dem Gerät “PoliScan FM 1' im Enforcement Trailer durchgeführt worden sei, welches eine Geschwindigkeit von 151 km/h angezeigt habe. Das Gericht schloss sich der Einschätzung eines sachverständigen Zeugen aus ei...