Ziel einer Verteidigung ist natürlich in erster Linie ein Freispruch. Gleichwohl sind Verteidigung und Mandant in der Regel mit einer Einstellung ebenso zufrieden, insbesondere wenn eine Rechtsschutzversicherung im Hintergrund die Kosten abfängt. Ärgerlich wird das Ganze immer dann, wenn die Einstellung in der Hauptverhandlung bei erwiesener Unschuld und einem unmittelbar bevorstehenden Freispruch erfolgt und die notwendigen Auslagen nicht der Staatskasse auferlegt werden. In etlichen Verfahren, insbesondere vor Süddeutschen Amtsgerichten, ist dem Unterzeichner hier ein geradezu systematisches Vorgehen aufgefallen. Die Einstellung mit der negativen Kostenentscheidung erfolgt regelmäßig ohne irgendeine Begründung, vorliegend nur durch ein Kreuzchen im bereits vorbereiteten Hauptverhandlungsformular. Diese eindeutig rechtswidrige und offensichtlich vermehrt um sich greifende Praxis der Amtsrichter, empfinden viele Betroffene zu Recht als eine Form der "Bestrafung", insbesondere wenn Fahrtwege von über 1.000 km, eine Hotelübernachtung bei Terminierung um 09:00 Uhr und die Verteidigerkosten selbst getragen werden müssen. Nach § 47 OWiG kann das Gericht das Verfahren mit der Zustimmung der Staatsanwaltschaft in jeder Lage des Verfahrens einstellen. Diese Zustimmung ist nicht erforderlich bei Geldbußen bis zu 100,00 EUR. Durch die Verweisung im § 46 Abs. 1 OWiG gilt dann die gesetzliche Regel der Auslagenerstattung nach § 467 Abs. 1 StPO. Danach sind auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen grundsätzlich der Staatskasse aufzuerlegen. Hiervon gibt es in § 467 Abs. 2 Satz 2 und § 467 Abs. 3 StPO wenige abschließend geregelte Ausnahmen. Dabei handelt es sich um die schuldhafte Säumnis, die Versäumung eines Termins oder einer Frist; die unrichtige Selbstanzeige sowie nach § 467 Abs. 3 StPO die wahrheitswidrige Selbstbelastung und das Verschweigen entlastender Umstände und schlussendlich die Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses. Lediglich im Rahmen von Ermessensentscheidungen nach § 467 Abs. 4 StPO wird dem Gericht noch eine Hintertür geöffnet.
Was erleben wir aber in der Praxis?
Viele Richter missbrauchen die Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG und kehren den Grundsatz, dass die notwendigen Auslagen ebenso der Staatskasse aufzuerlegen sind, in das Gegenteil um. Wenn ein OWi-Verfahren mit einem Bußgeld von 200,00 EUR eingestellt wurde und der Betroffene im Gegenzug mit Kosten von über 1.000,00 EUR belastet wird, empfindet er dies natürliches als Unrecht. Eine Beschwerde gegen diese i.d.R. unbegründete Willkürentscheidung ist nach herrschender Ansicht nicht zulässig, da die Einstellungsentscheidung nach § 47 Abs. 2 OWiG für den Betroffenen unanfechtbar ist. Da die Einstellungsentscheidung als solche nicht angegriffen werden kann, gelte dies wegen § 464 Abs. 3 Satz 1 HS 2 StPO auch für die Kostenentscheidung. Wir erinnern uns an den Satz: "Und über dem Amtsgericht wölbt sich der blaue Himmel." Eine der wenigen Ausnahmen stellt die Entscheidung des Landgericht Düsseldorf vom 25.5.2009 (Az.: 61 Qs 51/09) dar.
Da ein Rechtsweg nach herrschender Ansicht nicht eröffnet ist, bleibt am Ende nur der Gang zum Verfassungsgericht. Der Verfassungsgerichtshof Berlin hat in seinem Beschl. v. 27.4.2022 (Az.: VerfGH 130/20) diese Praxis als rechtswidrig gerügt und insbesondere einen Verstoß gegen das Grundrecht auf willkürfreie Entscheidung (Artikel 10 Abs. 1 der Berliner Verfassung) bejaht. Diese Entscheidung hat allerdings in den anderen Bundesländern wenig Aufmerksamkeit gefunden, so dass der Unterzeichner nunmehr Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht zum Az.: 2 BvR 847/23 erhoben hat. Mit einer Entscheidung ist sicherlich kurzfristig nicht zu rechnen, gleichwohl empfehlen wir unter Bezugnahme auf die Berliner Entscheidung konsequent gegen rechtswidrige Kostenentscheidungen vorzugehen.
Autor: Thomas Noack
RA Thomas Noack, FA für Verkehrsrecht, Berlin
zfs 8/2023, S. 421