VV RVG Vorbem. 3 Abs. 2, Nr. 3100; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; JVEG § 11
Leitsatz
1. Die schriftliche Übersetzung von Schriftsätzen und gerichtlichen Entscheidungen durch einen Prozessbevollmächtigten einer der deutschen Sprache nicht mächtigen Partei fällt nicht unter den Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr. Vielmehr ist diese Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten dem Prozessbevollmächtigten nach Maßgabe des § 11 JVEG zusätzlich zu vergüten.
2. Ob die wörtliche Übersetzung von Schriftsätzen für eine der deutschen Sprache nicht mächtigen Partei notwendig ist oder ob sich diese ggf. mit einer mündlichen Information begnügen muss, ist eine Frage des Einzelfalls und bestimmt sich nach der Komplexität des Sachverhalts, der Bedeutung einer schriftlichen Übersetzung für das prozessuale Vorgehen und dem Verhältnis der hierdurch entstehenden Kosten zur Klageforderung (Leitsatz der Schriftleitung).
OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.12.2023 – 6 W 116/23
1 Sachverhalt
In einer vor dem LG Potsdam anhängig gewesenen urheberrechtlichen Streitigkeit ließ sich die der deutschen Sprache nicht mächtigen Klägerin durch einen – deutschen – Prozessbevollmächtigten vertreten. Dieser Rechtsanwalt übersetzte der Klägerin schriftlich das gerichtliche Protokoll, ein gegen die Beklagte ergangenes Versäumnisurteil nebst Rechtsbehelfsbelehrung, den Vergleich der Parteien sowie sämtliche im Rechtsstreit gewechselten Schriftsätze. Hierfür berechnete der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seiner Mandantin nach Maßgabe des § 11 JVEG Übersetzungskosten in Höhe von 1.084,20 EUR.
Aufgrund der zu ihren Gunsten ergangene Kostenentscheidung hat die Klägerin die Festsetzung ihrer Anwaltskosten auf der Grundlage der gerichtlichen Festsetzung des Streitwertes auf 40.000 EUR und der vorgenannten Übersetzungskosten gegen die Beklagte beantragt. Die Rechtspflegerin hat diese Kosten antragsgemäß festgesetzt. Gegen die Mitfestsetzung der Übersetzungskosten hat die Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt. Das OLG Brandenburg hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
… “Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 S. 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten, mit der diese sich zuletzt noch gegen die Festsetzung von Übersetzungskosten in Höhe von 1.084,20 EUR wendet, bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Rechtspflegerin mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss auch Übersetzungskosten nach § 11 JVEG festgesetzt. Übersetzungskosten, die einer der deutschen Sprache nicht mächtigen Partei entstehen, um den Fortgang des Prozesses (nach)verfolgen zu können und an diesem beteiligt zu bleiben, sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und als solche von dem im Rechtsstreit unterlegenen und in die Kosten verurteilten Gegner zu erstatten, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Dagegen ist nicht anzuführen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin diese Übersetzungen selbst angefertigt hat. Denn die Übersetzung von Schriftsätzen, gerichtlichen Entscheidungen oder Verfügungen gehört nicht zu den dem Prozessbevollmächtigten der der deutschen Sprache nicht mächtigen Partei als Folge der Übernahme des Mandats obliegenden Aufgaben. Solche Übersetzungstätigkeiten fallen daher insgesamt nicht unter den Abgeltungsbereich der Prozessgebühr, sondern sind zusätzlich zu vergüten (OLG Köln, Beschl. v. 15.7.2002 – 17 W 6/02, JurBüro 2002, 591).
Auch der Umfang der geltend gemachten Übersetzungskosten ist nicht zu beanstanden. Protokoll und Versäumnisurteil stellen wesentliche gerichtliche Dokumente dar, von deren Inhalt die Partei als Herrin des Verfahrens schon zur Wahrung ihres rechtlichen Gehörs Kenntnis erhalten muss. Vorliegend enthielt das Protokoll der mündlichen Verhandlung zudem einen Vergleich der Parteien, dessen genauen Inhalt zu kennen für die Klägerin unabdingbar war. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch die Rechtsbehelfsbelehrung eines gegen den Gegner ergangenen Versäumnisurteils zu übersetzen, damit die der deutschen Sprache nicht mächtige Partei nachvollziehen kann, ob diese sich nur an den Gegner richtet und welche Rechtsbehelfe dem Gegner eröffnet werden.
Ob auch die wörtliche Übersetzung aller Schriftsätze unter Erstattungsgesichtspunkten einer der deutschen Sprache nicht mächtigen Partei zuzubilligen ist oder ob sie sich gegebenenfalls mit einer mündlichen Information oder einer gerafften Zusammenfassung des Prozessstoffes begnügen muss, ist eine Frage des Einzelfalles (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. vom 30.1.1990 – 2 BvR 1085/89, zfs 1991, 17 = NJW 1990, 3072; LG Osnabrück, Beschl. v. 1.6.1989 – 9 T 53/89, JurBüro 1990, 729; OLG Hamburg, Beschl. v. 27.2.1996 – 8 W 23/96, Rechtspfleger 1996, 370) und bestimmt sich u.a. nach der Komplexität des Sachverhalts, der Bedeutung einer schriftlichen Übersetzung für das prozessuale Vorgehen und der Relation der dadurch entstehenden Kosten zu dem Wert der Klageforderung. Vorliegend begründet die Schwierigkeit der mit der urheberrechtlic...