VRB 1994 § 21 Abs. 2; VVG § 125
Leitsatz
1. Wenn nach § 21 Abs. 2 VRB (hier Fassung 1994) im so bezeichneten Verkehrs-Rechtsschutz Versicherungsschutz ferner "hinsichtlich aller später während der Vertragsdauer auf den VN zugelassenen Fahrzeuge" besteht, so erstreckt sich die damit versprochene Deckung – wie in § 21 Abs. 1 VRB für das Erstfahrzeug – in Ansehung eines Ersatzfahrzeugs lediglich auf Rechtsschutzfälle aus Ereignissen, die dem VN als Eigentümer, Halter, Fahrer oder Insasse eines auf ihn zugelassenen Fahrzeugs widerfahren, nicht aber auf Fälle, die Ihn (wie bei der hier beabsichtigten "Diesel-Klage") in seiner Eigenschaft als Erwerber eines erst noch zuzulassenden Fahrzeugs betreffen (ebenso OLG Celle, Beschl. v. 6.2.2024, 11 U 93/23 [unveröffentlicht]; entgegen OLG Hamm, Urt. v. 5.5.2023, 20 U 144/22, VersR 2023, 1290).
2. Dem VR ist die Berufung auf die mangelnde Deckung für den Streit aus einem Erwerbsfall nicht gemäß § 242 BGB deswegen versagt, weil er die Deckungsablehnung vorprozessual nur mit fehlenden Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung begründet und auf die Möglichkeit verwiesen hatte, auf seine Kosten einen Stichentscheid zu beauftragen.
OLG Schleswig, Urt. v. 16.6.2024 – 16 U 11/24
1 Sachverhalt
Die Kl. verlangt von der Bekl. Deckung für die außergerichtliche und erstinstanzliche Wahrnehmung ihrer Interessen im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Pkws.
Die Kl. unterhält bei der A. AG seit dem März 1997 eine Verkehrs-Rechtsschutzversicherung für die "private Nutzung 1 Pkw" unter Einbeziehung der VRB 1994. Deren § 21 Verkehrs-Rechtsschutz mit Vorsorgeversicherung und Personen-Verkehrsrechtsschutz bestimmt u.a.
(1) Versicherungsschutz besteht für den VN in seiner Eigenschaft als Eigentümer, Halter, Fahrer und Insasse aller bei Vertragsabschluss auf ihn zugelassenen und im Versicherungsschein genannten Fahrzeuge. Als auf den VN zugelassen gilt ein Fahrzeug, wenn auf seinen Namen ein Fahrzeugschein ausgestellt und ein amtliches Kennzeichen erteilt worden ist.
(2) Ferner besteht Versicherungsschutz hinsichtlich aller später während der Vertragsdauer auf ihn zugelassenen Fahrzeuge der im Versicherungsschein genannten Gruppe. Der VN ist verpflichtet, alle auf ihn zugelassenen Fahrzeuge einer Gruppe zum Versicherungsschutz anzumelden, wenn im Versicherungsschein ein Fahrzeug dieser Gruppe genannt ist (…).
(…)
(8) Die Vorsorgeversicherung wird wirksam, wenn sich nach Vertragsabschluss die Gesamtzahl der auf den VN zugelassenen Fahrzeuge der Gruppe eines im Versicherungsschein genannten Fahrzeugs erhöht …
Am 6.11.2017 erwarb die Kl. bei der Fa.E. für 29.900,– EUR einen gebrauchten Audi Q 5, Ez. September 2012, mit einer Laufleistung von 56.645 km. Das Fahrzeug ist mit einem EA 189-Diesel-Motor von Volkswagen ausgestattet und verfügt (seit dem Update von 2016) über ein sog. Thermofenster. Das Fahrzeug wurde neun Tage nach dem Erwerb – am 15.11.2017 – auf die Kl. zugelassen.
Mit Schreiben vom 18.10.2022 ließ die Kl. durch die G. Rechtsanwälte Deckung für ein außergerichtliches und klageweises Vorgehen gegen Audi mit dem Ziel der Rückabwicklung beantragen, was vornehmlich mit dem Vorliegen eines sog. Thermofensters begründet wurde. Mit Schreiben vom 19.10.2022 lehnte die Bekl. die Deckung unter Berufung auf fehlende Erfolgsaussichten ab und verwies auf die Möglichkeit, auf ihre Kosten eine begründete Stellungnahme zu den Erfolgsaussichten zu beauftragen. Unter dem 20.10.2022 hatten sich die Anwälte an Audi gewandt, was erfolglos blieb. In einem als "Stellungnahme (Stichentscheid)" bezeichneten 96seitigen Schreiben vom 28.11.2022 kamen die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kl. zu dem Ergebnis, dass ihr gegen Audi im Lichte der Anträge des Generalanwalts Rantos vor dem EuGH ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. europäischen Abgasnormen wegen der Installation des Thermofensters zustehe, gerichtet auf Rückabwicklung des Erwerbs. Die Bekl. blieb bei ihrer Ablehnung: Der ungenügende Stichentscheid sei nicht verbindlich.
Mit ihrer im Februar 2023 eingereichten Klage hat die Kl. die Feststellung begehrt, dass die Bekl. ihr aus dem Vertrag für die außergerichtliche und erstinstanzliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Audi Deckungsschutz zu gewähren habe.
2 Aus den Gründen:
Die Kl. kann von der Bekl. weder Deckungsschutz noch Schadensersatz verlangen.
1. Der geltend gemachte Rechtsschutzfall – ein behaupteter Verstoß der Audi AG gegen europäische Abgasvorschriften, der diese zum Schadensersatz in Gestalt des sog. Differenzschadens verpflichtet – ist in der von der Kl. unterhaltenen Verkehrs-Rechtsschutzversicherung nicht versichert.
a) Im Tatsächlichen ist angesichts eines bereits im März 1997 geschlossenen Vertrags über die Versicherung von "1 Pkw" davon auszugehen, dass die Kl. (die einräumt, dass sie nur ein Fahrzeug hält) das in Rede stehende Fahrzeug als Ersatz für einen vorher unterhaltenen Pkw erworben hat.
b) Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie eine durchschnittliche VN sie bei verständiger Würdigung, aufm...