Um den Mandanten pflichtgemäß vor Schäden zu bewahren und ihn entsprechend zu beraten und zu belehren, bedarf es zuvor einer sorgfältigen Aufklärung des Sachverhaltes (Hartmann/Seybold, in: van Bühren, Handbuch VersR, 3. Aufl. 2007, Rn 13 ff.; Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., S. 299). Dabei gehört es zu den grundlegenden Pflichten des Anwalts, den rechtlich zu beurteilenden Sachverhalt sorgfältig und vollständig zu ermitteln. Zunächst ist es die Aufgabe des Mandanten, seinem Anwalt die Tatsachen zu schildern, die diesem die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts ermöglichen und den Anwalt so in den Stand zu versetzen, dass er dem Mandanten die rechtliche Beratung erteilt, die er diesem nach dem Anwaltsvertrag schuldet. Im Normalfall darf der Anwalt den Angaben seines Mandanten vertrauen (Fischer, NJW 1999, 2994; Hartmann/Seybold, in: van Bühren, a.a.O., Rn 14). Immer dann, wenn nach den Umständen für eine zutreffende rechtliche Einordnung die Kenntnis weiterer Tatsachen erforderlich ist, deren rechtliche Bedeutung dem Mandanten nicht ohne weiteres ersichtlich ist, darf sich der Anwalt gerade nicht mit dem begnügen, was ihm sein Mandant berichtet, sondern er hat sich durch zusätzliche Fragen um eine ergänzende Aufklärung zu bemühen (BGH NJW 1994, 1472; 1994, 2223; 1998, 2048). Kurz: Der Anwalt muss im Dialog mit seinem Mandanten auf eine umfassende Sachverhaltskenntnis hinarbeiten, was sich im Einzelfall nicht nur auf die Entgegennahme verbaler Sachverhaltsangaben durch den Mandanten beziehen kann, sondern darüber hinaus vielfach die Sichtung und das Studium der vom Mandanten beigebrachten oder beizubringenden Dokumente erfordert. Nötigenfalls muss der Rechtsanwalt von seinem Mandanten unvollständige Unterlagen komplettieren lassen und diesen auch mehrfach auffordern, konkret fehlende Unterlagen beizubringen (zuletzt: BGH, NJW 2002, 1413, Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn 162 m.w.N). Das Sichten der Unterlagen kann im Einzelfall durchaus einen erheblichen Zeitaufwand darstellen, je nachdem wie viel Schriftverkehr der Mandant im Vorfeld bereits selbst geführt hat oder ggf. durch einen zuvor beauftragten Rechtsanwalt schon geführt worden ist. Hin und wieder kann dieses ein zeitraubendes Unterfangen für den mandatierten Rechtsanwalt bedeuten, dennoch ist dieses Zeitinvestment unabdingbare Voraussetzung für die Sachverhaltsermittlung und die sich daran anschließende Beurteilung der Sach- und Rechtslage, die der Anwalt dem Mandanten schuldet.
Es steht dem Anwalt frei, mit dem Mandanten im Einzelfall – etwa wegen der notwendigen Durchsicht mehrerer gefüllter Leitz-Ordner an Vorkorrespondenz – eine Honorarvereinbarung zu schließen. Tut er dies nicht, entbindet es ihn jedoch nicht von seiner Verpflichtung zur gründlichen und umfänglichen Sachverhaltsaufklärung. Das Umherstochern in derartigen Aktenkonvoluten der Mandantschaft birgt ein erhebliches Haftungsrisiko für den Rechtsanwalt. Bereits an dieser Stelle muss der Rechtsanwalt Farbe bekennen: Entweder er nimmt die Mühe der Sachverhaltsaufklärung anhand des umfänglichen Aktenkonvolutes des Mandanten zu den gesetzlichen Gebühren auf sich, oder er trifft diesbezüglich eine Honorarvereinbarung oder aber, er lehnt den Auftrag schlicht ab. Halbherzigkeit bei der Sachverhaltsaufklärung zahlt sich in der Regel nicht aus, die Gefahr der Falschberatung sowie das Haftungsrisiko steigen immens.