Der den Personenschaden regulierende Anwalt ist häufig das letzte Glied in einer langen Kette von Menschen, die dem Geschädigten über einen langen Zeitraum zur Seite gestanden haben, bevor dieser mit seiner veränderten Lebenssituation auf Grund des Personenschadens alleine klarkommen muss. Insoweit muss der Anwalt neben dem Risiko eines Abfindungsvergleiches für seinen Mandanten auch die darin liegende Chance begreifen, für diesen die Zukunft positiv zu gestalten.
Gut gelingen wird das demjenigen Anwalt, der nicht nur über profunde Rechtskenntnisse im Rahmen der Personenschadensregulierung verfügt, sondern darüber hinaus die Fähigkeit besitzt, sich in die Sorgen und Nöte seines verletzten Mandanten hineinzuversetzen und außerdem auf gleicher Augenhöhe mit dem Gegner zu verhandeln versteht. Häufig ist der Mandant extrem psychisch belastet, wenn er endlich kurz vor dem Abschluss eines Abfindungsvergleiches steht. Er möchte "die Sache" nach Jahren der durch Vorschüsse gekennzeichneten Regulierung endlich abschließen und ist auch deshalb zu dem einen oder andere Zugeständnis bereit. Oft ermöglicht der Abfindungsvergleich es dem Geschädigten, seinen Blick in die Zukunft zu richten und sich damit auf eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu konzentrieren (ebenso Hess/Burmann, NJW Spezial 2004, 208). Der Anwalt trägt dabei eine große Verantwortung nicht nur in rechtlicher Hinsicht, sondern auch und gerade in menschlicher Hinsicht.
Die Beratung eines Mandanten vor Abschluss eines Abfindungsvergleiches beim Personenschaden gilt deshalb zu Recht als besonders haftungsträchtig (Laschkow, AnwBl 2007, 374; Burghart, Der Abfindungsvergleich beim Personenschaden in Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaft 43. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2005, S. 151; Nugel, zfs 2006, 191). Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur hat der Anwalt seinen Mandanten vor Abschluss des Vergleiches über den Inhalt sowie über die Vor- und Nachteile umfassend aufzuklären (Hartmann/Seybold, a.a.O., Rn 11; Nehls, SVR 2005, 166; Laschkow, AnwBl 2007, 374; Nugel, zfs 2006, 191; Zugehör, a.a.O. Rn 756; Euler, SVR 2005, 18; BGH NJW 2002, 292 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung). Der Mandant muss darauf basierend eine eigenverantwortliche Entscheidung über den Abschluss oder Nichtabschluss eines Abfindungsvergleiches treffen können (Euler, SVR 2005, 18). Über diese Anforderungen hinausgehend, hat der Arbeitskreis III des 43. Deutschen Verkehrsgerichtstages 2005 in Goslar die Empfehlung ausgesprochen, dass der Rechtsanwalt auch über die alternative Rentenzahlung aufzuklären hat (Nehls, SVR 2005, 166; Laschkow, AnwBl 2007, 374).
Der Rechtsanwalt muss deshalb im Einzelnen darlegen, welche Aspekte für und welche Aspekte gegen den Abschluss des Vergleiches sprechen. Chancen und Risiken müssen herausgearbeitet werden und es ist darüber aufzuklären, welche Art von Schadensersatzansprüchen dem Grunde und der Höhe nach abgegolten werden. Dem außergerichtlichen Abfindungsangebot ist gegenüberzustellen, wie ein Gericht bei Rechtshängigkeit voraussichtlich entscheiden würde und zwar sowohl im Falle einer Verurteilung zur Rentenzahlung und im Einzelfall bei Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 843 Abs. 3 BGB. Der Mandant ist u.a. über den Zinsfuß und dessen Ermittlung im Lichte der Rechtsprechung, Literatur und aktuellen Marktgegebenheiten aufzuklären (zur Ermittlung des Zinsfußes vgl. Jaeger, VersR 2006, 597 ff.; Nehls, SVR 2005, 161 ff. [mit Rechenbeispielen]; Schah Sedi, zfs 2008, 183 ff.). Hinsichtlich jeder einzelnen Schadensersatzposition, die rentenfähig ist, muss der Anwalt dem Mandanten den Rentenbetrag und den korrespondierenden Barwert gegenüber stellen. Um sein Haftungsrisiko gering zu halten, sollte der Rechtsanwalt die Empfehlungen des 43. Deutschen Verkehrsgerichtstages 2005 im Arbeitskreis III umsetzen. Die dort geforderte weitere Aufklärung über die alternative Rentenzahlung bedeutet nichts anderes, als dem Mandanten im Detail vorzurechnen, welcher Rentenbetrag auf den einzelnen Schadensersatzanspruch zu zahlen ist und demgegenüber welcher Barwert sich aus der Rente ermittelt, der mit dem Abfindungsbetrag abgegolten sein soll. Nur wenn der Mandant in Kenntnis darüber gesetzt ist, wie der Barwert seines Rentenanspruches errechnet wird und welche Berechnungsparameter (u.a. Zinsfuß!) zugrunde liegen, kann er eine sachgerechte und interessengerechte Entscheidung für sich selbst treffen. Der Anwalt, der den Abfindungsgesamtbetrag für seinen Mandanten nicht rechnerisch zerlegt und auch auf alternative Berechnungsergebnisse bei Anwendung z.B. eines marktgerechten Zinsfußes von deutlich weniger als 5 % nicht hinweist, erhöht – häufig ohne sich darüber im Klaren zu sein – sein Haftungsrisiko immens. So können sich hier leicht Regresssummen im hohen 6-stelligen EUR-Bereich ergeben!
Weiterhin sind bei der Abwägung der Vor- und Nachteile eines Vergleiches neben rechtlichen auch wirtschaftliche und persönliche Interessen des Mandanten z...