StVG § 7 § 17 § 18; VVG § 115 n.F.; StVO § 9 Abs. 5
Leitsatz
Von einer hälftigen Haftungsverteilung ist auszugehen, wenn ein linksabbiegendes Fahrzeug verkehrsbedingt zum Stillstand kommt und ein anderes Fahrzeug rückwärts zurücksetzt, weil die Lichtzeichenanlage die Signalstellung "rot" ausweist, sodass beide Fahrzeuge kollidieren.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Hamburg, Urt. v. 11.4.2008 – 306/187/07
Sachverhalt
Die Klägerin hat die Verurteilung der Beklagten zum Schadensersatz auf Grund eines Verkehrsunfalls verfolgt, der sich im Jahre 2007 in Hamburg in Höhe der Zufahrt zu einem Baumarkt ereignet hat. Der Zeuge fuhr mit dem Fahrzeug der Klägerin auf dem K-weg und beabsichtigte, nach links auf den Parkplatz des dort befindlichen Baumarktes abzubiegen. Er stieß mit seinem Fahrzeug mit dem auf der Gegenfahrbahn rückwärts fahrenden Fahrzeug des Beklagten zu 1) zusammen, der die Einfahrt verpasst hatte und das bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherte Fahrzeug zurücksetzte.
Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 1) sei mit dem von ihm gesteuerten Fahrzeug 15-20 Meter an dem Fahrzeug der Klägerin vorbeigefahren. Der Fahrer des Fahrzeuges der Klägerin sei darauf hin abgebogen und habe sein Fahrzeug quer auf der Gegenfahrbahn vor der Einfahrt zum Stehen gebracht, weil dort Fußgänger die Fahrbahn überquerten. In dieser Position habe das Fahrzeug der Klägerin gestanden. Dann sei der Beklagte zu 1) rückwärts mit erheblicher Geschwindigkeit in das quer stehende Fahrzeug der Klägerin hineingefahren. Die Klägerin hat hieraus abgeleitet, dass von einer alleinigen Haftung der Beklagten auszugehen sei. Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 1) sei nur wenige Meter an der Einfahrt vorbei gefahren. Er habe angehalten und sich versichert, dass er beim Zurücksetzen kein Fahrzeug gefährde. Die Fahrbahn hinter ihm sei frei gewesen. Er sei dann langsam und unter ständigem Blick durch die Heckscheibe zurückgefahren. Plötzlich und unerwartet sei der Zeuge mit dem Fahrzeug der Klägerin aus dem Gegenverkehr kommend nach links abgebogen, sodass es zur Kollision beider Fahrzeuge gekommen sei.
Das LG ging von einer hälftigen Haftungsverteilung aus.
Aus den Gründen
“Die Klage ist überwiegend unbegründet. Die Klägerin hat – über die von der Beklagten zu 2) im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits geleisteten Zahlungen lediglich Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten in der tenorierten Höhe für die vorprozessuale Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten, §§ 7, 18 StVG, 115 VVG (n.F.). Weiter gehende Ansprüche stehen der Klägerin nicht zu.
I. Zwar haftet der Beklagte zu. 1) gem. §§ 7, 18 StVG dem Grunde nach verschuldensunabhängig für die Schäden an dem Fahrzeug der Klägerin auf Grund des Verkehrsunfalls vom 6.9.2007, weil der Unfall bei dem Betrieb des von ihm geführten Fahrzeuges eingetreten und nicht auf “höhere Gewalt’ zurückzuführen ist. Die entsprechende Haftung der Beklagten zu 2) als Haftpflichtversicherung beruht auf § 115 VVG (n.F.). Allerdings haftet auch die Klägerin verschuldensunabhängig für die Unfallfolgen, weil der Unfall gleichsam bei dem Betrieb des von ihr gehaltenen Fahrzeuges eingetreten ist. Die gem. § 17 StVG erforderliche Abwägung der gegenseitigen Betriebgefahren und Verursachungsbeiträge, bei der nur feststehende, d.h. entweder unstreitige oder bewiesene Tatsachen zu Grunde zu legen sind, ergibt, dass beide Parteien jeweils zu 50 % für die Unfallschäden haften. Unstreitig hat sich der Unfall beim Abbiegen des Zeugen in eine Grundstückseinfahrt und beim Rückwärtsfahren des Beklagten zu 1) ereignet. Beide Fahrzeugführer trifft dabei gem. § 9 Abs. 5 StVO die Verpflichtung, sich bei dem Fahrmanöver so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Der Beklagte zu 2) hat gegen diese Verpflichtung verstoßen, weil sich aus der zu Grunde liegenden Unfallkonstellation ergibt, dass er bei seiner Rückwärtsfahrt mit dem Fahrzeug der Klägerin kollidiert ist. Wie das vorliegende Unfallgeschehen zeigt, war der von ihm vorgenommene Schulterblick über die rechte Schulter keinesfalls ausreichend, um das hinter ihm befindliche Fahrzeug der Klägerin rechtzeitig zu erkennen.
Andererseits spricht jedoch auch ein Anschein dafür, dass der Zeuge bei dem Abbiegemanöver in die Grundstückseinfahrt die gem. § 9 Abs. 5 StVO erforderliche besondere Sorgfalt nicht beachtet hat. Denn wenn der Unfall – wie im vorliegenden Fall – in einem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem solchen Abbiegemanöver steht, spricht ein Anschein für einen entsprechenden Verstoß gegen diese besondere Sorgfaltspflicht. Dieser Anschein wird nicht allein deswegen entkräftet, weil der andere Unfallbeteiligte gleichzeitig rückwärts gefahren ist. Denn der Abbiegende muss, solange es sich jedenfalls nicht um eine Richtungsfahrbahn handelt, grundsätzlich auch mit dem Rückwärtsfahren anderer Verkehrsteilnehmer rechnen und gegebenenfalls von seinem Fahrmanöver Abstand nehmen (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 21.7.2007, 14 U 176/07).
Die Klägerin hat de...