Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgfaltspflicht beim Ausparken
Leitsatz (amtlich)
Zu den Sorgfaltspflichten des rückwärts Ausparkenden auf einem Supermarktparkplatz
Normenkette
BGB § 288 Abs. 1; StVG §§ 7, 17-18; StVO § 1 Abs. 2, § 9 Abs. 5; VVG § 115
Verfahrensgang
AG Lebach (Urteil vom 24.03.2010; Aktenzeichen 3B C 287/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Widerklägers wird das Urteil des Amtsgerichts Lebach vom 24.3.2010 – Az. 3B C 287/09 – im Tenor unter II) abgeändert und die Widerbeklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Widerkläger und früheren Beklagten zu 3) über die bereits ausgeurteilten Beträge hinaus weitere 1.657,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.4.2009 sowie weitere vorgerichtliche Anwaltskosten von 129,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.4.2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtstreits erster Instanz tragen die Gerichtskosten die Klägerin und Widerbeklagte zu 1) zu 15%, die Widerbeklagten gesamtschuldnerisch zu 71% und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 14%. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 14%. Die außergerichtlichen Kosten des Drittbeklagten und Widerklägers tragen die Klägerin zu 15% und die Widerbeklagten gesamtschuldnerisch zu 71%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) trägt die Klägerin zu 50%. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Widerbeklagten als Gesamtschuldner.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Kläger- und Beklagtenseite verlangen wechselseitig Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am … auf dem Parkplatz des … in … ereignet hat. Am Unfalltag beabsichtigten die Widerbeklagte zu 2) mit dem bei der Widerbeklagten zu 3) haftpflichtversicherten Fahrzeug der Klägerin (…) ebenso wie die Zweitbeklagte mit dem bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug des Drittbeklagten (…), aus gegenüberliegenden Parktaschen rückwärts ausparken. Dabei kam es zur Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen.
Die Klägerseite hat vorgetragen, das Beklagtenfahrzeug sei gegen das nach Beendigung des rückwärtigen Fahrmanövers bereits stehende Klägerfahrzeug gefahren. Die Fahrerin des Klägerfahrzeuges habe sich sorgfältig nach hinten versichert und die Absicht der Zweitbeklagten, rückwärts auszuparken, nicht erkennen können. Demgegenüber haben die Beklagten vorgetragen, die Zweitbeklagte habe ihrerseits den Ausparkvorgang bereits abgeschlossen, habe auf der Zufahrtsstraße gestanden und kurz vor der Kollision noch ein Hupsignal gegeben, als die Fahrerin des Klägerfahrzeuges gegen das stehende Beklagtenfahrzeug gefahren sei.
Das Erstgericht hat eine Haftungsteilung angenommen und Klage und Widerklage (diese unter Abzug eines Euros bei der Bemessung der Auslagenpauschale) jeweils in hälftiger Höhe stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, beide Unfallparteien hätten den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis für ein Verschulden am Zusammenstoß nicht zu widerlegen vermocht, weil es nicht gelungen sei, nachzuweisen, dass ihr Fahrzeug bereits über einen ausreichenden Zeitraum gestanden hätte, um die im Rückwärtsfahren liegende besondere Gefährdung neutralisieren zu können.
Mit seiner Berufung verfolgt der frühere Drittbeklagte den abgewiesenen Teil seines Schadens von 1.658,24 EUR (= 2.500,56 EUR Nettoreparaturaufwand + 200,– EUR merkantile Wertminderung + 588,93 EUR Gutachterkosten + 26 EUR Auslagenpauschale ./. erstinstanzlich zuerkannten 1.657,25 EUR) zuzüglich weiteren vorgerichtlichen Anwaltskosten von 129,95 EUR jeweils nebst gesetzlichen Zinsen weiter. Er meint, das Amtsgericht habe nicht in seine Abwägung einbezogen, dass die Widerbeklagte zu 2) ihr Fahrzeug parallel zur Fahrgasse bewegt habe und als Fahranfängerin auch auf das Hupsignal nicht adäquat reagiert habe, so dass sie den Unfall alleinverschuldet habe. Die Widerbeklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und weitestgehend begründet. Nach der in der Berufung ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass das Beklagtenfahrzeug im Moment der Kollision zum Stillstand gekommen war und dessen Fahrerin auch kein sonstiges Verschulden an dem Zustandekommen des Unfalls trifft. Die Widerbeklagten haften daher umständehalber für das Unfallgeschehen allein.
1. Zu Recht ist das Erstgericht allerdings zunächst davon ausgegangen, dass sowohl die Beklagten- als auch die Klägerseite grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gem. §§ 7, 18 StVG i.V.m. § 115 VVG einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinn...