ARB 2000 § 17 Abs. 5c) cc), Abs. 6
Leitsatz
Erteilt der Versicherungsnehmer in einer arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzangelegenheit seinem Rechtsanwalt zunächst einen Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung anstelle eines unbedingten Prozessauftrags, begründet dies eine Obliegenheitspflichtverletzung, die den Rechtsschutzversicherer von der Leistung der Mehrkosten befreit.
(Leitsatz des Bearbeiters)
LG München, Urt. v. 10.6.2008 - 30 S 17964/07
Sachverhalt
Der Kläger war bei der beklagten Versicherung rechtsschutzversichert. Am 29.9.2006 sprach der Arbeitgeber des Klägers die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Am 4.10.2006 beauftragte der Kläger seinen Rechtsanwalt, außergerichtlich die Rücknahme der Kündigung zu erreichen, hilfsweise eine Aufhebungsvereinbarung zu treffen. Nachdem die Bemühungen des Rechtsanwalts gescheitert waren, beauftragte der Kläger seinen Rechtsanwalt mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Die im Arbeitsgerichtsprozess angefallene Anwaltsvergütung hatte die beklagte Rechtsschutzversicherung gezahlt. Mit seiner vor dem AG München erhobenen Klage verlangte der Kläger nunmehr von der Beklagten die Freistellung des "nicht anrechenbaren Teils" der Geschäftsgebühr nebst Auslagen. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte beim LG München keinen Erfolg.
Aus den Gründen
“ … Die vorprozessual angefallenen Kosten waren nicht notwendig und haben zu einer unnötigen Kostensteigerung gem. § 17 Abs. 5 lit. c) cc) ARB geführt. Diese unnötige Kostensteigerung stellt eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers gegenüber der Beklagten als Versicherer dar, die zur Leistungsfreiheit gem. § 17 Abs. 6 ARB führt.
Dem Versicherungsnehmer obliegt es gem. § 17 Abs. 5 lit. c) cc) ABB, alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten verursachen könnte.
Dieser Obliegenheit ist der Kläger nicht gerecht geworden, als er seinen Rechtsanwalt beauftragt hat, seine Interessen nach der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses außergerichtlich wahrzunehmen und nur bedingt Klageauftrag erteilt hat. Infolge dieser bedingten Mandatierung sind höhere Kosten entstanden, als dies der Fall gewesen wäre, wenn der Kläger sogleich Klageauftrag erteilt hätte.
Bei den Mehrkosten handelt es sich um den Teil der vorgerichtlich anfallenden Geschäftsgebühr nach §§ 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. VV Nr. 2300, der gem. VV Vorbem. 3 Abs. 4 nicht auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird, zuzüglich Kopierkosten nach VV Nr. 7000 Nr. 1a, Telekommunikationsentgelt nach VV Nr. 7200 und Mehrwertsteuer.
Bei einem sofortigen Klageauftrag wären die Interessen des Klägers nicht unbillig i.S.v. § 17 Abs. 5 lit. c) AKB beeinträchtigt worden, denn auch bei sofortigem Klageantrag hätte der Bevollmächtigte nicht sogleich Klage erheben müssen, sondern wären außergerichtliche Vergleichsverhandlungen auch vor Einreichung einer Kündigungsschutzklage möglich gewesen. Im Weiteren sieht das arbeitsgerichtliche Verfahrensrecht in §§ 54, 57 Abs. 2 ArbGG auch nach Klageerhebung ein Hinwirken auf eine gütliche Erledigung des Rechtsstreits ausdrücklich vor.
Hätte indes der Kläger seinem Rechtsanwalt nach Zugang der Kündigungserklärung sogleich Prozessauftrag erteilt, anstatt ihn zunächst zur außergerichtlichen und sodann zur gerichtlichen Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen, wäre die nunmehr geltend gemachte 2,0-Geschäftsgebühr nach VV-RVG Nr. 2300 nicht angefallen, weil außergerichtliche Verhandlungen nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RVG mit zu den durch die Verfahrensgebühr abgegoltenen Tätigkeiten zählen. Da auch nach erteiltem Prozessauftrag außergerichtliche Vergleichsverhandlungen zum Tätigkeitsbereich des Rechtsanwalts gehören, ist der Kläger durch die von ihm gewählte Art der sukzessiven Mandatierung auch nicht in den Genuss anwaltlicher Mehrleistungen gekommen, sondern hat lediglich für die gleiche Leistung mehr Kosten verursacht.
Vorliegend kommt hinzu, dass im arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzprozess die dreiwöchige Klagefrist gem. § 4 KSchG zu beachten ist. Dies setzt anders als in anderen Rechtsstreitigkeiten die zeitnahe Erteilung des Klageauftrages voraus, damit – unbeschadet parallel laufender Vergleichsgespräche – die kurze Klagefrist gewahrt werden kann. Auch in zeitlicher Hinsicht erscheint somit die sofortige Erteilung des Prozessauftrages geboten, ohne dass dem Arbeitnehmer hierdurch Nachteile entstünden.
Der Verstoß des Klägers gegen die Obliegenheit zu kostensparendem Vorgehen ist auch als grob fahrlässig zu bewerten. Grob fahrlässig handelt, wer die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer also nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten müsste (Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 277 Rn 4). Der Versicherungsnehmer muss sich dabei ein Verschulden der Personen, derer er sich zur Erfüllung seiner Obliegenheit bedient, grundsätzlich zurechnen lassen.
Vorliegend war für den Bevollmächtigten des Klägers zumindest klar ersichtlich, da...