1) Die Konkretisierung des Begriffs des Integritätsinteresses und dessen Auswirkung auf Anspruchsumfang und Fälligkeit des Schadensersatzanspruchs nach Beschädigung einer Kraftfahrzeuges durch den BGH hat zu zahlreichen Entscheidungen des BGH und in der Instanzrechtsprechung geführt, die überwiegend zu einer Klärung der Fragen geführt haben.
Am Anfang der Entwicklung stand die Frage, in welchen Fällen der Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot wegen des höherrangigen Integritätsinteresses des Geschädigten hinzunehmen sei. Wurde der Wiederbeschaffungswert durch die erforderlichen Reparaturkosten überschritten, überwog das Interesse des Geschädigten an der Reparatur des ihm bekannten und vertrauten Kfz, bei einer Überschreitung des Wiederbeschaffungswertes bis zu 30 %, wenn die Reparatur sach- und fachgerecht erfolgt (BGH zfs 1992, 8 und 9 f.). Eine Anpassung des Integritätsprinzips an andere Schadensberechnungen erfolgte zunächst auf die Abrechnung auf Gutachtenbasis.
Hier nahm der BGH in einer Entscheidung vom 23.5.2006 (zfs 2006, 625) einen Anspruch auf Ersatz der den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigenden Reparaturkosten auf Gutachtenbasis bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes ohne Abzüge des Restwertes an, wenn das Fahrzeug bei Fahrsicherheit unrepariert oder fahrtüchtig gemacht, mindestens sechs Monate nach dem Unfall weiter benutzt wurde. Diese Entscheidung ist in dem hier mitgeteilten Urt. v. 22.4.2008 bestätigt worden. Auf diese Art und Weise kann es der Geschädigte, der damit sein Integritätsinteresse nachweist, verhindern, dass sein Schaden nach Totalschadensgrundsätzen (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) abgerechnet wird.
Bei der konkreten Abrechnung steht dem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten bis zur Höhe der Wiederbeschaffungskosten ohne Abzug des Restwertes zu, wenn er das Fahrzeug nach der Reparatur sechs Monate weiter benutzt. Die Qualität der Reparatur spielt dabei keine Rolle. Die Abrechnung innerhalb der 130 %-Grenze wird ganz wesentlich auf das dokumentierte besondere Integritätsinteresse gestützt (vgl. BGH zfs 1992, 156). Diese Rechtsprechungslinie wird in der Entscheidung vom 22.4.2008 zusammengefasst, der Streit in den Instanzgerichtsbarkeiten damit beendet:
Es steht jetzt fest, dass der Geschädigte auch bei der Abrechnung auf der 130 % -Basis eine Nutzung von sechs Monaten nachweisen muss.
2) Das führt allerdings zu dem Folgeproblem, zu welchem Zeitpunkt die Fälligkeit der Schadensersatzforderungen auf Gutachtenbasis und bei konkreter Abrechnung eintritt. Steht dem Geschädigten bis zum Erreichen der Sechs-Monatsfrist nur eine Art Abschlag auf die Schadensersatzforderung in Höhe der Totalschadenabrechnung zu, hat das nicht nur die unerwünschte Folge erhöhten Verwaltungsaufwandes, sondern auch die Folge, dass der Geschädigte, der den ersten Teil des vollständigen Schadensersatzanspruchs in Höhe der Reparaturkosten erfüllt hat, in Vorlage hinsichtlich der Erfüllung der Reparaturkostenverpflichtung treten muss. Das kollidiert mit dem Grundsatz, dass der Schädiger sofort den erforderlichen Reparaturaufwand zu decken hat, der Geschädigte nicht in Vorlage treten muss. Das dürfte höher zu bewerten sein, als die rechtstechnisch möglicherweise korrekte Feststellung, dass das Erreichen der Sechs-Monatsfrist als Nutzer des reparierten Pkw Anspruchsvoraussetzung ist. Vielleicht wird die Rspr. die Erreichung der Sechs-Monatsfrist als auflösende Bedingung werten, die dann Ermittlungsaufwand der Haftpflichtversicherungen zwingend auslösen wird, die Fälligkeit der Schadensersatzforderung in Höhe der Reparaturkosten aber sofort bejahen.
RiOLG Heinz Diehl, Frankfurt/M.