Eine deutliche "Ohrfeige" für die Rspr. des BGH!

I. Die Rechtsprechung des BGH

Das LG Leipzig und das OLG Dresden hatten sich auf die Rspr. des IX. ZS des BGH bezogen, der in seinem Urt. v. 27.1.2005, BGHZ 162, 98 = NJW 2005, 2142 = AnwBl. 2005, 582 mit Anm. Henke = AGS 2005, 378 mit Anm. Madert und N. Schneider ausgeführt hat, es spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine Vergütung eines Rechtsanwalts für Strafverteidigungen, die mehr als das Fünffache über den gesetzlichen Höchstgebühren liegt, unangemessen hoch sei und deshalb gegen das Mäßigungsverbot des § 3 Abs. 3 BRAGO (jetzt § 3a Abs. 2 RVG) verstoße. Kaum ein Urteil des BGH zu einer Vergütungsvereinbarung ist in der Praxis so wie dieses kritisiert worden (siehe hierzu auch den Beitrag von Rick, RVGreport 2006, 441, 445). Wohl in Kenntnis des anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahrens hat der IX. ZS des BGH zu retten versucht, was nicht mehr zu retten war: In seinem Urt. v. 12.2.2009, RVGreport 2009, 135 (Hansens) hat der BGH zwar keinen Anlass gesehen, von seiner bisherigen Rspr. abzurücken, jedoch könne möglicherweise an der bisherigen Rechtsprechung, die Vermutung einer unangemessen hohen Vergütung könne durch den Rechtsanwalt nur entkräftet werden, wenn er ganz ungewöhnliche, geradezu extreme einzelfallbezogene Umstände darlegt, nicht in vollem Umfang festgehalten werden.

Geholfen hat es nicht, wie die Entscheidung des BVerfG zeigt.

Das BVerfG hat der Rspr. des BGH, nach der die Vermutung der unangemessenen Höhe einer vereinbarten Vergütung bei Überschreitung um mehr als das Fünffache nur in extremen Ausnahmefällen entkräftet werden kann und der die Instanzgerichte hier gefolgt waren, eine eindeutige Absage erteilt. Hierbei hat es auch nicht geholfen, dass der BGH in seinem neuesten Urt. v. 12.2.2009, RVGreport 2009, 135 (Hansens), geringfügig "zurückgerudert" ist.

Das BVerfG hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass der Grundsatz "pacta sunt servanda" auch für Vergütungsvereinbarungen gilt. Allein mit dem Hinweis auf die vermeintliche Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung kann sich der Auftraggeber künftig nicht mehr so einfach von dieser Vereinbarung (teilweise) wieder lösen wie es nach der Rspr. des BGH der Fall war.

II. Anwendungsbereich der Entscheidung

Das BVerfG hatte sich mit der nach der BRAGO abgeschlossenen Vergütungsvereinbarung eines Strafverteidigers zu befassen, (nicht nur) die Zitate des § 3a Abs. 2 RVG machen deutlich, dass die Entscheidung auch für Vereinbarungen nach dem RVG gilt. Ferner spricht nichts dagegen, die vom BVerfG aufgestellten Grundsätze auch auf Vergütungsvereinbarungen für andere anwaltliche Tätigkeitsbereiche, wie etwa im Zivil – oder Verwaltungsrecht anzuwenden. Auch wenn die Entscheidung des BVerfG eine Stundensatzhonorarvereinbarung betroffen hat, können deren wesentliche Kernaussagen auch auf andere Arten von Vergütungsvereinbarungen übertragen werden. Hier kann etwa an Pauschalbetragsvereinbarungen oder an eine Vereinbarung eines bestimmten Faktors der Höchstsätze der gesetzlichen Gebühren gedacht werden. Wird durch eine solche Vergütungsvereinbarung mehr als das Fünffache der gesetzlichen Gebühren überschritten, können sie künftig auch dann als angemessen anzuerkennen sein, wenn nicht "ganz ungewöhnliche, geradezu extreme einzelfallbezogene Umstände" vorliegen, wie der BGH gefordert hat.

III. Anzulegender Prüfungsmaßstab

Nach § 3 Abs. 3 BRAGO, § 3a Abs. 2 S. 1 RVG ist nur eine unangemessen hohe vereinbarte Vergütung herabzusetzen. Welche Maßstäbe hieran anzulegen sind, führt das Gesetz jedoch nicht an. Ein Vervielfältiger der gesetzlichen Gebühren ist nach den Ausführungen des BVerfG nicht schlechthin ungeeignet, um eine vereinbarte Vergütung auf ihre Unangemessenheit hin zu überprüfen. Dieser Faktor muss jedoch nicht notwendig "mehr als das Fünffache der gesetzlichen Gebühren" betragen, wie der BGH entschieden hat. Auch eine vereinbarte Vergütung, die das Acht – oder Zehnfache der gesetzlichen (Höchst-)Gebühren überschreitet, kann also nach den Umständen des Einzelfalls nicht unangemessen hoch sein. Jedenfalls darf dem Rechtsanwalt nicht – wie es der BGH praktisch getan hat, der Nachweis abgeschnitten werden, dass die vereinbarte Vergütung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht unangemessen hoch ist.

Zutreffend hat das BVerfG auch darauf hingewiesen, dass bei Stundensatzvereinbarungen die um einen Faktor vervielfältigten gesetzlichen Gebühren ohnehin nicht der geeignete Vergleichsmaßstab seien. Mit Ausnahme weniger Regelungen – etwa Nr. 4110, 4111, 4116, 4117, 4122 oder 4123 VV RVG für die Dauer der Hauptverhandlung beim Pflichtverteidiger – enthalten die Gebührenregelungen des RVG nämlich keinerlei direkten Bezug zum Zeitaufwand des Rechtsanwalts. In Anwendung der Rspr. des BGH wäre eine mehr als das Fünffache der gesetzlichen Gebühren überschreitende vereinbarte Vergütung auch dann unangemessen hoch, wenn der hohe Zeitaufwand des Rechtsanwalts zu einem "Stundenlohn" von bei...

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