AKB 2008 A 2.3.2.
Das Zurücklassen eines Verschlusses einer Ölflasche im Motorraum mit einem anschließenden Öffnen der Motorhaube während der Fahrt unter normalen Bedingungen stellt keinen Unfall i.S.d. AKB, sondern einen nicht ausgleichspflichtigen Betriebsschaden dar.
(Leitsatz des Einsenders)
LG Ravensburg, Urt. v. 1.7.2010 – 1 S 92/10
Der Kläger verlangt vorliegend von seiner Fahrzeugvollversicherung die Übernahme der Schadenskosten anlässlich eines Schadenfalls vom 14.4.2009. Der Kläger ließ versehentlich beim Nachfüllen von Motoröl den Verschluss der Flasche im Motorraum liegen, weshalb die Motorhaube nicht richtig schloss. Die Haube öffnete sich während der folgenden Fahrt. Angaben darüber, ob möglicherweise ein Schlagloch oder sonstige Umstände das Hochschlagen der Motorhaube zusätzlich bewirkt haben, wurden nicht gemacht. Es entstand Schaden an der Motorhaube selbst sowie an der Windschutzscheibe. Der Glasschaden an der Windschutzscheibe wurde von der beklagten Fahrzeugvollversicherung reguliert.
Die Übernahme der sonstigen Schadenskosten hat die Beklagte verweigert mit der Begründung, es handele sich um einen Betriebsschaden.
Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeugversicherung der Beklagten zu Grunde. Unter der entscheidenden Passage A.2.3.2 führten die AKB Folgendes aus: "Versichert sind Unfälle des Fahrzeugs. Als Unfall gilt ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis."
Nach Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts war von vornherein ein Bedienungsfehler auszuschließen, da eine falsche Bedienung des Fahrzeugs nicht unmittelbar den Schaden herbeigeführt habe. Des Weiteren begründete das AG seine Entscheidung derartig, dass nach seiner Ansicht auch nicht nur ein Betriebsschaden vorliege, sondern ein Unfall i.S.d. AKB, weil das Aufspringen der Motorhaube auf mechanischer Gewalt, nämlich auf eine Einwirkung, die mit den Gesetzen der Mechanik, der Lehre von der Bewegung, dem Gleichgewicht der Körper zu erklären ist, beruhe.
Aus den Gründen:
“… Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, da der Schaden nicht durch einen Unfall i.S.v. Ziffer A.2.3.2 der AKB der Beklagten, sondern durch einen Betriebsschaden verursacht wurde.
Betriebsschäden sind Schäden, bei denen sich Gefahren verwirklicht haben, denen das Kfz im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendungsart üblicherweise ausgesetzt ist, die also nur eine Auswirkung des normalen Betriebsrisikos sind, das in Kauf genommen wird (vgl. OLG Hamm NZV 1989, 396 f.).
Allgemein anerkannt ist, dass das Aufspringen der Motorhaube kein Unfall ist, wenn es allein darauf zurückzuführen ist, dass sich die Haube während des normalen Fahrbetriebs durch die damit verbundenen physikalischen Einwirkungen auf das Fahrzeug, u.a. auch durch Fahrtwind, öffnet. Solche Einwirkungen mögen zwar als mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis anzusehen sein. Gleichwohl wirken sich nur die Gefahren aus, denen das Fahrzeug in seiner konkreten Verwendungsart üblicherweise ausgesetzt ist. Auch das bloße Mitwirken eines schlechten Fahrbahnzustandes qualifiziert das Ereignis noch nicht als Unfall. Vielmehr handelt es sich dabei um einen typischen Betriebsschaden (BGH VersR 1973, 1162; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1329 f.).
Ein Unfall i.S.d. Versicherungsbedingungen ist dagegen nur anzunehmen, wenn über die normalen, durch den Fahrbetrieb üblicherweise bedingten physikalischen Einwirkungen hinausgehende Kräfte eingewirkt und das Öffnen der Motorhaube bewirkt haben (OLG Hamm VersR 1989, 836). Davon kann jedoch auch angesichts der im Motorraum verbliebenen Ölkappe, wodurch sich die Motorhaube nicht ordnungsgemäß verriegeln ließ, nicht ausgegangen werden, denn Betriebsschäden sind auch Schäden, die allein durch Bedienungsfehler, worunter bspw. das Einfüllen falschen Kraftstoffes fällt, entstanden sind (BGH VersR 2003, 1031; Prölls/Martin-Knappmann, VVG, 27. Aufl., AKB § 12 Rn 59). Als ein solcher ist aber auch das Liegenlassen der Ölverschlusskappe im Motorraum zu qualifizieren, was auch unmittelbar zum Schadensereignis führte.
Auch in der Gesamtschau kann beim Zusammentreffen eines Betriebsschadens mit einem Bedienungsfehler nicht davon ausgegangen werden, dass der Schaden durch einen Unfall verursacht wurde.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der vom AG in Bezug genommenen Entscheidung (BGH NJW 1954, 596 f.). Denn im dortigen Rechtsstreit wurde der Motor u.a. durch zwei im Motorraum liegen gebliebene Schrauben beschädigt, wobei nicht aufklärbar war, bei welchem Anlass und zu welchem Zeitpunkt die Fremdkörper im Motorraum verblieben waren. Im Gegensatz hierzu steht im vorliegenden Rechtsstreit fest, dass der Motoröldeckel anlässlich eines Betriebsvorgangs bzw. durch einen Bedienungsfehler im Motorraum verblieb und in einem engen zeitlichen Zusammenhang zum Schaden führte …”