RVG §§ 15a, 60;; VV RVG Nr. 2300, 3100
Die Neuregelung des § 15a RVG stellt lediglich eine gesetzliche Klarstellung und keine Gesetzesänderung dar und ist ab ihrem Inkrafttreten am 5.8.2009 auch in sog. Altfällen anwendbar.
(Leitsatz des Bearbeiters).
BGH, Beschl. v. 23.6.2010 – XII ZB 58/10
Die Rechtspflegerin des AG Hannover – FamG – und das OLG Celle, dessen Entscheidung in RVGreport 2010, 149 (Hansens) veröffentlicht ist, haben die von dem Kläger für seine erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte geltend gemachte 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG auf Grund der teilweisen Anrechnung einer vorprozessual entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nicht in voller Höhe berücksichtigt. Mangels Anwendbarkeit auf Altfälle habe an dieser Rechtslage auch die zwischenzeitlich erfolgte Einführung des § 15a RVG nichts geändert. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Klägers hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
[5] Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet, denn das OLG hat die geltend gemachte 1,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) zu Unrecht nicht in voller Höhe berücksichtigt.
[6] 1. Der erkennende Senat hat in Übereinstimmung mit dem II. Zivilsenat (vgl. BGH-Beschl. v. 2.9.2009 – II ZB 35/07 – zfs 2006, 646 m. Anm. Hansens = ZIP 2009, 1927, 1928) wiederholt entschieden, dass die Vorschrift des § 15a RVG eine bloße Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage darstellt. Folglich findet diese – gem. Art. 10 des am 4.8.2009 verkündeten Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30.7.2009 (BGBl I S. 2449) am Tag nach der Verkündung in Kraft getretene – Bestimmung auch Anwendung, wenn die Auftragserteilung des Erstattungsberechtigten an seinen Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten vor dem 5.8.2009 erfolgt war (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9.12.2009 – XII ZB 175/07 – RVGreport 2010, 110, vom 3.2.2010 – XII ZB 177/09 – RVGreport 2010, 190; vom 31.3.2010 – XII ZB 230/09 – AGS 2010, 256 und vom 31.3.2010 – XII ZB 20/10 – zur Veröffentlichung bestimmt). Dieser Auffassung hat sich zwischenzeitlich auch der IX. Zivilsenat angeschlossen (vgl. BGH Beschl. v. 11.3.2010 – IX ZB 82/08 – RVGreport 2010, 190 = AGS 2010, 159).
[7] Der vorliegende Sachverhalt gibt keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Mit den vom OLG für seine gegenteilige Rechtsauffassung angeführten Argumenten hat sich der Senat bereits in seinen vorstehend genannten Beschlüssen ausführlich befasst.
Nachdem keiner der Ausnahmefälle des § 15a Abs. 2 RVG ersichtlich ist, ist die Verfahrensgebühr antragsgemäß in voller Höhe zu berücksichtigen.
Eine der im Kostenfestsetzungsverfahren derzeit wohl am meisten umstrittenen Fragen ist, ob die Neureglung des § 15a RVG ab ihrem Inkrafttreten am 5.8.2009 in allen noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren auch in sog. Altfällen gilt oder ob hierfür die allgemeine Übergangsregelung des § 60 RVG anwendbar ist. Im letzten Fall wäre der Zeitpunkt der Auftragserteilung maßgeblich, wobei dann auf den Auftrag für die zweite Angelegenheit abzustellen wäre. Sämtliche Senate des BGH, die sich mit dieser Frage in entscheidungserheblicher Weise zu befassen hatten, haben bisher die Auffassung vertreten, bei der Regelung des § 15a RVG handele es sich um eine Klarstellung des Gesetzgebers und nicht um eine Gesetzesänderung, so dass die Neureglung ab ihrem Inkrafttreten auch in Altfällen anwendbar sei:
- BGH, Beschl. v. 11.3.2010 – IX ZB 82/08 – RVGreport 2010, 190 (Hansens) = AGS 2010, 159 = AnwBl. 2010, 448,
- BGH, Beschl. v. 3.2.2010 – XII ZB 177/09 – RVGreport 2010, 190 (ders.) = AGS 2010, 106,
- BGH, Beschl. v. 9.12.2009 – XII ZB 175/07 – RVGreport 2010, 110 (ders.) = AGS 2010, 54 = NJW 2010, 1375 = JurBüro 2010, 239,
- BGH v. 31. 3. 2010 – XII ZB 230/09 – AGS 2010, 256,
- BGH, Beschl. v. 2.9.2009 – II ZB 35/07 – zfs 2009, 646 m. Anm. Hansens = RVGreport 2009, 387 (ders.) = AGS 2009, 466 = JurBüro 2009, 638 = NJW 2009, 3101,
- BGH, Beschl. v. 29.4.2010
- V ZB 38/10- RVGreport 2010, 265 (ders.) = AGS 2010, 263.
Anderer Auffassung ist nur der X. ZS des BGH in seinem Beschl. v. 29.9.2009 – X ZB 1/09 – RVGreport 2009, 474 (Hansens) = NJW 2010, 76 = JurBüro 2010, 78, der in seiner die Entscheidung nicht tragenden Begründung beiläufig ausgeführt hat, bei § 15a RVG handele es sich um eine Gesetzesänderung, die nicht in Altfällen anwendbar sei.
Derzeit liegen den verschiedenen Senaten des BGH rund 20 Rechtsbeschwerden zu dieser Frage vor, so dass es noch eine Zeitlang dauern wird, bis sämtliche Zivilsenate sich mit dieser Frage befasst haben. Will einer der Senate von der Auffassung der vorgenannten Senate abweichen, wird er nach § 132 Abs. 2 GVG den Großen Senat für Zivilsachen anrufen müssen, der aus dem Präsidenten des BGH und je einem Mitglied der einzelnen Zivilsenate – in der Regel deren Vorsitzende – besteht.
In der Rspr. der OLG ist der Meinungsstand noch uneinheitlich. Nach der im...