VVG § 28 Abs. 2, 3, 4
1. Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Obliegenheit zur Einreichung einer Stehlgutliste bei der Polizei setzt keine Belehrung nach § 28 Abs. 4 VVG voraus.
2. Zur Führung des Kausalitätsgegenbeweises bei Entwendung von Goldschmuck.
3. Für das Verschuldensmaß, nach dem sich die Leistungspflicht des Versicherers bei grober Fahrlässigkeit bestimmt, ist der Versicherer beweispflichtig.
4. Die Quotenbildung ist in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung seiner Besonderheiten ohne festes "Einstiegsmaß" vorzunehmen.
5. Verletzt ein Versicherungsnehmer die vereinbarte Sicherheitsobliegenheit zur Anbringung eines Panzerquerriegels an seinem Schmuckladen bei Vorhandensein einer Alarmanlage, ist eine Leistungskürzung um 60 % angemessen.
6. Verletzt ein Versicherungsnehmer die Obliegenheit zur Einreichung einer Stehlgutliste bei der Polizei, ist eine Leistungskürzung um 40 % angemessen.
7. Fallen dem Versicherungsnehmer mehrere Obliegenheitsverletzungen mit unterschiedlichem Kausalitätsumfang zur Last, so ergibt sich der Anspruch auf die verbleibende Entschädigung aus einer wertenden Gesamtbetrachtung.
LG Dortmund, Urt. v. 15.7.2010 – 2 O 8/10
Der Kläger unterhält seit Mai 2008 bei der Beklagten eine Inventarversicherung für den von ihm betriebenen Schmuckladen in I. Die Versicherungssumme für Vorräte an Goldsachen und Ähnlichem, darunter auch Armbanduhren, beträgt in der Zeit vom 2.1. bis 30.11. 200.000 EUR, insgesamt in der Einbruchdiebstahlversicherung 300.000 EUR.
Den Versicherungsschutz beantragte der Kläger unter dem 6.2.2008 für das Ende Januar 2008 eröffnete Juweliergeschäft ab dem 25.1.2008. Am 30.1.2008 unterzeichnete der Kläger eine "Sicherungsbeschreibung der Versicherungsräume" die u.a. die Tür T2 beschreibt und unter "zusätzlich vereinbarte Sicherungen" für diese Tür T2 einen "Panzerquerriegel beidseitig schließbar" bestimmt. In der Folgezeit wurde eine ebenfalls vereinbarte Alarmanlage in den Geschäftsräumen montiert, jedoch nicht der Panzerquerriegel an der Tür T2.
In der Nacht des 29.1.2009 setzten unbekannte Täter gegen 4.34 Uhr die beiden akustischen und optischen externen Signalgeber der Einbruchmeldeanlage außer Kraft und lösten hierdurch bei der Firma S, die die Alarmanlage betrieb, Alarm aus. Der Mitarbeiter des Wachdienstes beschränkte sich um 4.44 Uhr auf eine ergebnislose Prüfung der Alarmanlage von außen und rückte unverrichteter Dinge wieder ab, weil die Täter nach Außerkraftsetzen der Signalgeber die äußeren Abdeckungen wieder montiert hatten. Die Täter hatten nun Zeit, über den Hinterhof und den Keller des Hauses in das Treppenhaus einzudringen und eine Werkstatthintertür im Erdgeschoss aufzuhebeln, nachdem sie zunächst versucht hatten, zwei Löcher in das Mauerwerk zu stemmen, von diesem Vorhaben aber wieder Abstand nahmen. Die zwischen dem Geschäft des Klägers und der Werkstatt eines Goldschmiedes befindliche Tür T2, die mit einem Blockschloss an die Alarmanlage angeschlossen war, wurde durch die Täter ebenfalls aufgehebelt, sodass diese auf diesem Wege in das Juweliergeschäft des Klägers gelangten und dort Armbanduhren, Dekorationsstücke für Trauringe sowie 15 kg Goldschmuck und Altgold entwendeten.
In der Folgezeit reichte der Kläger eine Stehlgutliste wohl bei der Beklagten, nicht aber bei der Polizei ein. Diese erhielt die Stehlgutliste mit Telefax vom 19.3.2009 durch den von der Beklagten beauftragten Sachverständigen. Dabei handelte es sich um eine knappe handschriftliche Aufstellung der entwendeten Gegenstände.
Wegen des nicht eingebauten Panzerquerriegels an der Tür T2 und der damit einhergehenden Verletzung der vereinbarten Sicherheitsvorschrift machte die Beklagte von ihrem Leistungskürzungsrecht Gebrauch und brachte von der als berechtigt angesehenen Entschädigungsforderung von 190.393 EUR einen Anteil von 75 % in Abzug (Leistungskürzungsquote ¾). Dementsprechend zahlte sie 47.600 EUR an den Kläger aus. Da der Kläger mit der Leistungskürzung nicht einverstanden ist, macht er die Differenz zur vollen Entschädigungsforderung in Höhe von 190.393 EUR mit der Klage geltend.
Zusätzlich stützt die Beklagte die von ihr vorgenommene Leistungskürzung auch auf die unterlassene Abgabe der Stehlgutliste bei der Polizei trotz vorhergehender Belehrung.
Aus den Gründen:
“… Dem Kläger steht aus der zwischen den Parteien bestehenden Inventarversicherung aus Anlass des unstreitigen Versicherungsfalles vom 29.1.2009 noch eine weitere Versicherungsleistung in Höhe von 26.793 EUR nebst Nebenforderungen zu, da die Beklagte nicht berechtigt war, ihre Entschädigungsleistung wegen Verletzung von Obliegenheiten im Ausmaß von 75 % vom Gesamtschaden zu kürzen …
III. Allerdings kann der Kläger nicht die volle Entschädigungsleistung verlangen, da die Beklagte gem. § 28 Abs. 2 S. 2 VVG wegen Verletzung zweier vertraglicher Obliegenheiten zur Leistungskürzung berechtigt war. Den Leistungskürzungsbetrag bemisst die Kammer nach einer wertenden Gesamtbetrachtung mit 116.000 EUR, sodass unter Berücksichtigun...