Einführung

Dem Kfz-Sachverständigen kommt in der Unfallschadenregulierung eine besondere Bedeutung zu. Er dokumentiert das Schadensbild, sichert insoweit Beweise und stellt mit der Fertigstellung seines Gutachtens die Höhe des eingetretenen Schadens fest. Die Zahlen seines Gutachtens sind entscheidend für die Frage, ob das Kfz repariert werden kann oder ob eine Totalschadenabrechnung erfolgen muss.

A. Haftpflichtschaden

I. Allgemeines

Der Begriff des Kfz-Sachverständigen ist nicht geschützt. Sachverständiger kann sich jeder nennen. Von daher kommt bereits der Auswahl des Sachverständigen besondere Bedeutung zu. Im Regelfall sollte auf besonders erfahrene oder öffentlich bestellte Sachverständige zurückgegriffen werden, weil diese aufgrund des durchlaufenen Zertifizierungsverfahrens besondere Gewähr für eine objektive Leistungserbringung geben. Besondere Vorsicht besteht, sobald die Versicherung eigene Sachverständige zur Ermittlung des Schadens und zur Beweissicherung vorschlägt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die von der Versicherung beauftragten Sachverständigen Restriktionen unterliegen. Sie werden üblicherweise von der Versicherung nur beauftragt, wenn sie sich deren Bedingungswerk unterwerfen.[1]

[1] Vgl. Becker, Wird die Schadenregulierung nach dem 50. Verkehrsgerichtstag für den Geschädigten fairer?, Der Verkehrsanwalt 2012, 5 ff.

II. Gutachterauswahl

Der Auswahl des Gutachters kommt aus den eingangs genannten Gründen besondere Bedeutung zu. Während die von der Versicherung beauftragten Sachverständigen durch Anweisung der Versicherung gehalten sind, nach Möglichkeit Totalschäden zu kalkulieren,[2] geht das Interesse des Geschädigten oftmals dahin, dass das beschädigte Fahrzeug in einer Vertragswerkstatt instandgesetzt werden kann, auch wenn das Fahrzeug schon älter ist. Von daher wird häufig nur durch die Einschaltung eines freien Sachverständigen sicherzustellen sein, dass eine Instandsetzung, und sei es auch im Rahmen der 130 %-Grenze, möglich ist. Dieses Ziel kann bei der Einschaltung von Versicherungssachverständigen regelmäßig nicht erreicht werden, wie die tägliche Praxis zeigt. Auch werden regelmäßig keine bzw. zu geringe Wertminderungsbeträge ausgewiesen, obwohl es bei der Begutachtung regelmäßig um eine merkantile und nicht eine technische Wertminderung geht.

[2] Vgl. Becker a.a.O., 6.

III. Beweissicherung

Das Sachverständigengutachten hat zum einen eine Beweisfunktion zum Schadenumfang und zum anderen eine Beweisfunktion zur Schadenhöhe. Im letzten Fall wird von der Schadenfeststellungsfunktion gesprochen. Zum Schadenumfang kommt dem Gutachten eine Beweisfunktion zu, dem der Sachverständige regelmäßig durch Beschreibung des Schadens sowie insbesondere durch Fertigung von Lichtbildern Rechnung trägt. Im Folgenden wird dann aufgrund des erkannten Schadenumfangs die Schadenhöhe kalkuliert. Der Sachverständige ist hier gehalten, sich im Hinblick auf die Schadenhöhe an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu orientieren. So versteht es sich von selbst, dass Sachverständige bei bis zu drei Jahre alten Fahrzeugen regelmäßig die Stundenverrechnungssätze einer Vertragswerkstatt zugrunde legen. Gleiches gilt im Hinblick auf Fahrzeuge, die älter als drei Jahre sind, soweit sich der Sachverständige davon überzeugen konnte, dass das Fahrzeug scheckheftgepflegt ist. In diesem Falle ist der Sachverständige durch Dokumentation des regelmäßig mitgeführten Scheckheftes gehalten, die regelmäßige Wartung in einer Vertragswerkstatt zu dokumentieren. In diesen Fällen ist dann ebenfalls mit den Stundenverrechnungssätzen einer Vertragswerkstatt zu kalkulieren. Ist das Fahrzeug indes älter als drei Jahre und ist eine regelmäßige Wartung oder Instandsetzung in einer Vertragswerkstatt nicht nachgewiesen, so ist richtigerweise mit den durchschnittlichen Stundenverrechnungssätzen nicht markengebundener Werkstätten zu kalkulieren, zumal die eintrittspflichtige Versicherung hierauf ohnehin hinweisen wird. Da zwischenzeitlich eine gefestigte Rechtsprechung zur grundsätzlichen Verweisungsmöglichkeit besteht, sollte der Rechtsanwalt ein Sachverständigengutachten zurückreichen, welches diesen Ansprüchen nicht Rechnung trägt.[3]

[3] Vgl. BGH, Urt. v. 23.2.2010 – VI ZR 91/09, zfs 2010, 494–496.

IV. Rechtsnatur des Vertrags zwischen Sachverständigen und Auftraggeber

Der beauftragte Sachverständige wird im Rahmen eines Werkvertrags tätig.[4] Auf Grund dessen wird der Sachverständige zur Herstellung des versprochenen Werks, der Auftraggeber zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Gemäß § 633 Abs. 1 BGB hat der Unternehmer dem Auftraggeber das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Dies bedeutet für den Sachverständigen, dass er ein funktionstaugliches Gutachten vorzulegen hat, mit dem nicht nur der Beweisfunktion, sondern auch der Schadenfeststellungsfunktion Rechnung getragen wird.[5] Ist das von dem Sachverständigen erstellte Gutachten von dieser Qualität, dann hat der Sachverständige seiner Verpflichtung genüge getan. Der Auftraggeber hat dann nicht die Rechte aus § 635 BGB. Hierauf ist deshalb hinzuweisen, weil im Rahmen der Schadenregulierung durch Vers...

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