StVG § 3; FeV § 46 § 11 Abs. 6, 8, 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. b
Leitsatz
1. Eine angemessene Frist zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens setzt voraus, dass dem Betroffenen unter Berücksichtigung der regionalen Umstände und der üblichen Terminstände der jeweiligen amtlich anerkannten Begutachtungsstellen für Fahreignung eine fristgerechte Vorlage des geforderten Gutachtens zuzumuten und möglich ist.
2. Die Beantwortung der von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zu klärenden Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber zum gegenwärtigen Zeitpunkt wegen eines missbräuchlichen Alkoholkonsums nicht zum Führen von Kfz geeignet ist, hängt grds. nicht davon ab, ob dieser über eine gewisse Zeit Alkoholabstinenz geübt hat oder nicht.
3. Der Schluss auf die Nichteignung des Fahrerlaubnisinhabers gem. § 11 Abs. 8 S. 1 FeV ist nicht gerechtfertigt, sofern die Nichtvorlage des geforderten Gutachtens darauf beruht, dass die Gutachtenerstellung von der Begutachtungsstelle von sachlich nicht gerechtfertigten zusätzlichen Anforderungen abhängig gemacht wird.
VG des Saarlandes, Beschl. v. 26.4.2013 – 10 L 574/13 – rk
1 Aus den Gründen:
" … Die … Fahrerlaubnisentziehung kann rechtlich schon deshalb keinen Bestand haben, weil der AG vorliegend nicht nach § 11 Abs. 8 FeV von der fehlenden Kraftfahreignung des ASt. ausgehen durfte. Nach Satz 1 dieser Regelung darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Dies setzt allerdings voraus, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Anforderung eines solchen Gutachtens vorlagen, diese insb.anlassbezogen und verhältnismäßig war, und für die Weigerung, das Gutachten beizubringen, bzw. für dessen nicht fristgerechte Vorlage kein ausreichender Grund bestand. Nur im Falle einer grundlosen Weigerung bzw. Nichtvorlage ist nämlich die Vermutung berechtigt, der Fahrerlaubnisinhaber wolle einen ihm bekannten Eignungsmangel verbergen (vgl. zu Vorstehendem auch BVerwG, u.a. Urt. v. 11.12.2008 – 3 C 26.07, NJW 2009, 1689, [wie Urt. v. gleichen Tag – 3 C 38.07, zfs 2009, 233] und v. 12.3.1985 – 7 C 26.83, DÖV 1985, 785; ferner BayVGH, Urt. v. 7.5.2001 – 11 B 99.2527, [zfs 2001, 523 =] NZV 2001, 494, sowie Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2011, § 11 Rn 22, m.w.N.)."
Dies zugrunde legend hat der AG die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führende Feststellung der Fahrungeeignetheit des ASt. offensichtlich zu Unrecht daraus hergeleitet, dass dieser der auf § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. b FeV gestützten Anordnung v. 19.2.2013 zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht innerhalb der ihm spätestens bis zum 22.3.2013 gesetzten Frist nachgekommen ist.
Zwar unterliegt es keinen durchgreifenden Bedenken, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens vorliegend erfüllt waren. Gemäß § 46 Abs. 3 FeV sind die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend anzuwenden, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kfz ungeeignet oder bedingt geeignet ist. Nach § 13 S.1 Nr. 2 Buchst. b FeV ist von der Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen anzuordnen, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden. Die danach für eine Gutachtenanordnung nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. b FeV zumindest erforderlichen zwei Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss liegen im Fall des ASt. vor, weil neben der mit Urteil des AG W. v. 8.11.2012 geahndeten Trunkenheitsfahrt v. 8.2.2012 bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,92 Promille auch noch die Trunkenheitsfahrt v. 22.3.2003 bei einem Blutalkoholgehalt von 1,26 Promille, weswegen der ASt. mit Urteil des AG M. v. 29.8.2003, verurteilt worden war, berücksichtigt werden durfte. Letztere Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr gem. § 316 StGB war, da die hierfür nach § 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVG maßgebliche Tilgungsfrist von zehn Jahren, die mit dem am 29.8.2003 erlassenen Urteil des AG Merzig zu laufen begann, erst am 29.8.2013 abläuft, noch verwertbar.
Es bestehen allerdings berechtigte Zweifel daran, ob das von dem AG danach in der Sache zu Recht geforderte medizinisch-psychologische Fahreignungsgutachten auch den sich aus § 11 Abs. 6 FeV ergebenden formellen Anforderungen genügt, insb. die Fristsetzung für die Beibringung dieses Gutachtens ausreichend bemessen war. Eine angemessene Frist setzt dabei voraus, dass dem Betroffenen unter Berücksichtigung der regionalen Umstände und der üblichen Terminstände der jeweiligen amtlich anerkannten Begutachtungsstellen für Fahreignu...