VVG § 19 § 22
Leitsatz
1. Stellt der VR dem Makler die Beratungstechnologie für einen Versicherungsantrag mit den Antragsfragen als Software-Programm zur Verfügung, handelt es sich bei den Fragen zu den Gefahrumständen nicht um Maklerfragen sondern um Fragen des VR.
2. Eine Belehrung nach § 19 Abs. 5 S. 1 VVG ist inhaltlich unzureichend, wenn sie bei den Rechtsfolgen einer Vertragsanpassung nicht unmissverständlich auf den drohenden Verlust des Leistungsanspruchs durch rückwirkende Einfügung eines Risikoausschlusses hinweist.
3. Arglist des Maklers wird dem VN zugerechnet, wenn der Makler als dessen Vertreter im Außenverhältnis zum VR aufgetreten ist. Dazu reicht die Mitunterzeichnung des Versicherungsantrags neben dem VN.
LG Dortmund, Urt. v. 14.3.2013 – 2 O 321/12
Sachverhalt
Die Kl. hat am 18.7.2011 bei der Bekl. den Abschluss einer Krankheitskosten- und Krankentageversicherung beantragt. Der Antrag wurde über einen Versicherungsmakler vermittelt, der ein neutrales Antragsformular aus dem PC benutzte, auf dem außer den Kontaktdaten des vermittelnden Maklers keine Herkunftsangaben enthalten waren. Der Makler verneinte im Antragsformular die Frage nach ambulanten Behandlungen in den letzten drei Jahren und führte bei bestehenden Krankheiten ein allergisches Asthma mit gelegentlicher Nutzung von Asthmaspray sowie bei stationärer Behandlung in den letzten fünf Jahren eine Mandel-OP 2008 in der C-Klinik auf. Die Bekl. nahm den Antrag mit einem Risikozuschlag mit der Asthmaerkrankung an. Als die Kl. Leistungen beantragte, brachte die Bekl. im Zuge der Leistungsprüfung in Erfahrung, dass die Kl. wegen Anpassungsstörung und leichter depressiver Episode in den Jahren 2010 und 2011 insgesamt 222 Tage arbeitsunfähig war.
Die Bekl. erklärte deshalb mit Schreiben vom 20.2.2012 den Rücktritt vom Vertrag sowie Vertragsanfechtung wegen arglistiger Täuschung.
2 Aus den Gründen:
" … Das Gericht kann die von der Kl. begehrte Feststellung, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Krankenversicherungsvertrag über Krankheitskosten und Krankentagegeld trotz Rücktritts- und Anfechtungserklärung der Bekl. fortbesteht, nicht treffen, da die Bekl. sowohl den Rücktritt als auch die Arglistanfechtung zu Recht erklärt hat."
1. Gem. § 19 Abs. 2 und Abs. 3 VVG kann der VR vom Vertrag zurücktreten, wenn der VN seine vorvertragliche Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 VVG grob fahrlässig oder vorsätzlich verletzt hat. Die vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung nach § 19 Abs. 1 VVG setzt die Falschbeantwortung von Gefahrumständen voraus, nach denen der VR in Textform gefragt hat. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
a) Die Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag sind unstreitig falsch beantwortet worden. … Da der Versicherungsvertrag unstreitig durch einen Makler vermittelt worden ist, kommt § 70 S. 1 VVG nicht zur Anwendung, wonach in Umsetzung der Auge-Ohr-Rechtsprechung die Kenntnis des Versicherungsvertreters der Kenntnis des VR gleich steht. Es kommt mithin nicht auf den Vortrag der Kl. an, wonach sie dem Makler einen Ordner mit Unterlagen übergeben haben will, in dem sich Unterlagen befunden haben sollen, die sämtliche Erkrankungen, Behandlungen und Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgeführt haben sollen.
b) Die Kl. war gem. § 19 Abs. 1 VVG auch verpflichtet, die im Antragsformular gestellten Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß zu beantworten, da es sich um Fragen des VR gehandelt hat. Allerdings legte das vom Makler verwendete neutrale Antragsformular, das seine Herkunft nicht erkennen ließ, durchaus die von der Kl. auch geäußerte Anfangsvermutung nahe, dass es sich bei den in dem Formular enthaltenen Gesundheitsfragen nicht um Fragen des VR, sondern um solche des Maklers handeln könnte. Maklerfragen wären nicht solche des VR und würden trotz Falschbeantwortung nicht zum Rücktritt durch den VR berechtigen (OLG Hamm VersR 211, 469 = r+s 2011, 198). Diese Anfangsvermutung hat sich jedoch als unberechtigt erwiesen. Denn die Bekl. hat im Laufe des Rechtsstreits vorgetragen, dass sie ihren Versicherungsvertretern wie auch den mit ihr kooperierenden Maklern die gesamte Technologie für die Beratung der VN mitsamt den Antragsfragen als Softwareprogramm zur Verfügung stellt. Damit stammen die auf den PC des vermittelnden Maklers aufgespielten Gesundheitsfragen vom VR und werden von diesem durch den Ausdruck über die Hardware des Vermittlers vom VR in Textform gestellt, wie es § 19 Abs. 1 VVG erfordert (vgl. Karczewski, r+s 2012, 521/525).
c) Die Bekl. war auch nicht gem. § 19 Abs. 5 S. 1 VVG gehindert, das Rücktrittsrecht auszuüben. Nach dieser Vorschrift stehen dem VR allerdings die Rechte nach § 19 Abs. 2–4 nur zu, wenn er den VN durch gesonderte Mitteilungen in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Einen solchen Hinweis hat die Bekl. der Kl. in den dem Versicherungsantrag beigefügten dreiseitigen “Wichtigen Erklärungen des ASt./der ASt. und der zu versichernden Person(en) sowie Hinweise!‘ auf Seite 3 erteilt. Ein solcher Hinweis kann, um den Anforderungen an e...