Die wohl im Ergebnis richtige Entscheidung des OLG Koblenz bedarf einiger Anmerkungen. Die vom OLG behandelte Erstattungsproblematik, unter welchen Voraussetzungen die dem Berufungs- oder Revisionsbeklagten für den Antrag auf Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels angefallene volle Verfahrensgebühr erstattungsfähig ist, kommt in der Praxis recht häufig vor. Deshalb wird hier der Stand der Rspr. zu den am meisten vorkommenden Fallgestaltungen wiedergegeben.

I. Anwendbare Erstattungsvorschrift

Das OLG Koblenz hat für die Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr auf die allgemeine Erstattungsvorschrift des § 91 Abs. 1 ZPO zurückgegriffen. Dies ist jedoch bereits deshalb unrichtig, weil hier die Regelung in § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO einschlägig war. Danach sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei kraft Gesetzes erstattungsfähig. Dies hat im Grundsatz zur Folge, dass die Anwaltskosten einer Überprüfung auf die Notwendigkeit entzogen sind und deshalb unabhängig von den konkreten Umständen als zweckentsprechend verursacht gelten (siehe BGH RVGreport 2014, 315 (Hansens) = AGS 2014, 300). Allerdings schließt auch die Regelung in § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht aus, dass einzelne Maßnahmen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei auf ihre Notwendigkeit hin im Ausnahmefall überprüft werden können. Ein solcher Ausnahmefall kann beispielsweise bei Einlegung einer Berufung zur Fristwahrung vorliegen. Dieses Regel-Ausnahme-Prinzip hat das OLG Koblenz hier verkannt, was sich jedoch auf die Richtigkeit der Entscheidung nicht ausgewirkt hat.

II. Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr

1. Grundsatz

Ob und unter welchen Voraussetzungen die für den Antrag auf Zurückweisung der Berufung angefallene 1,6 Verfahrensgebühr für den Bekl. erstattungsfähig ist, hängt davon ab, welche anwaltliche Tätigkeit für den Berufungsbeklagten in der betreffenden Verfahrenssituation notwendig war.

Hat der Berufungskläger Berufung nur zur Fristwahrung eingelegt, ist für den Berufungsbeklagten das Stellen eines die 1,6 Verfahrensgebühr auslösenden Berufungszurückweisungsantrages nicht notwendig. Bevor nämlich nicht feststeht, ob das Berufungsverfahren durchgeführt wird, ist es für den Bekl. nicht notwendig, einen Sachantrag zu stellen. Dies gilt umso mehr, als er ohne Vorliegen einer Berufungsbegründung gar nicht weiß, welche Berufungsangriffe der Berufungskläger gegen das erstinstanzliche Urteil vorbringen will (BAG RVGreport 2004, 35 (Hansens) = AGS 2004, 82 m. Anm. N. Schneider. Demgegenüber ist der Berufungsbeklagte in dieser Verfahrenssituation jedoch nicht gehindert, einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung im Berufungsverfahren zu beauftragen und ihn ggf. zu informieren. Dies löst dann die – ermäßigte – 1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200, Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG aus, die erstattungsfähig ist, so BGH NJW 2003, 756 = BRAGOreport 2003, 53 (Hansens) = AGS 2003, 219 = JurBüro 2003, 257; BGH NJW 2003, 2992 = BRAGOreport 2003, 202 (ders.) = JurBüro 2003, 595.
Auch bei einer ohne den Vorbehalt der Fristwahrung eingelegten Berufung ist das Stellen eines Zurückweisungsantrages erst nach dem Vorliegen der Berufungsbegründung notwendig, so BAG NJW 2003, 3796 = RVGreport 2004, 35 (Hansens) = AGS 2004, 82 mit Anm. N. Schneider = JurBüro 2004, 190; BGH NJW 2007, 3723 = RVGreport 2007, 427 (ders.) = AGS 2007, 537 mit Anm. N. Schneider = JurBüro 2008, 36 mit Anm. Madert. Dem OLG Koblenz lag eine Kombination der beiden vorgenannten Fallgestaltungen vor.
Entsprechendes gilt für den Antrag des Revisionsbeklagten auf Zurückweisung der Revision, bevor die Revision begründet worden ist, so BGH NJW 2003, 1324 = BRAGOreport 2003, 74 (Hansens) = AGS 2003, 291 mit Anm. N. Schneider = JurBüro 2003, 255.
Jedoch ist das Einreichen eines einen Berufungszurückweisungsantrag enthaltenden Schriftsatzes dann notwendig, wenn der Berufungskläger seine Berufung bereits begründet hat und der Schriftsatz vor einer Entscheidung des Gerichts über dessen mögliche Zurückweisung durch Beschl. nach § 522 ZPO eingeht, so BGH NJW 2004, 73 = RVGreport 2004, 75 (Hansens) = AGS 2004, 124 mit Anm. N. Schneider. Dies gilt dann auch für den Fall, dass sich der Berufungsbeklagte mit der Berufungsbegründung nicht auseinandergesetzt hat, so BGH RVGreport 2009, 74 (Hansens). Ebenso ist die durch den Zurückweisungsantrag angefallene volle Verfahrensgebühr dann erstattungsfähig, wenn der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel später begründet, s. BGH zfs 2014, 45 m. Anm. Hansens = RVGreport 2014, 74 (ders.).

In Anwendung dieser höchstrichterlichen Rspr., der sich die Instanzgerichte und hier auch das OLG Koblenz fast ausschließlich angeschlossen haben, war hier für die Kl. und Berufungsbeklagten das Einreichen des Berufungszurückweisungsantrages v. 15.8.2016 nicht notwendig, so dass die dadurch angefallene um den Satz von 0,3 zu erhöhende 1,6 Verfahrensgebühr nicht erstattungsfähig ist. Jedoch waren die Kl. hier nach der vorgenannten Rspr. erstattungsrechtlich n...

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