RVG § 33 Abs. 3; ZPO § 172 Abs. 1
Leitsatz
Der Wertfestsetzungsbeschluss nach § 33 Abs. 1 RVG ist – auch – der Partei des antragstellenden Rechtsanwalts zuzustellen. Legt die Partei Beschwerde gegen den Wertfestsetzungsbeschluss ein, bestimmt sich der Lauf der Beschwerdefrist nach dem Zeitpunkt dieser Zustellung; die Zustellung des Beschlusses an den Prozessbevollmächtigten der Partei ist insoweit ohne Bedeutung.
LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 8.3.2017 – 17 Ta (Kost) 6006/17
Sachverhalt
Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Kl. hat das ArbG Berlin den Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltsgebühren durch Beschl. v. 2.12.2016 festgesetzt. Dabei hat das ArbG den Gegenstandswert für die Kündigungsschutzklage mit 16.500 EUR bemessen und den Vergleichsmehrwert mit insgesamt 162.000 EUR. Das ArbG hat den Wertfestsetzungsbeschluss dem Kl. selbst am 8.12.2016 zugestellt. Ein Empfangsbekenntnis über die Zustellung an den Prozessbevollmächtigten des Kl. lag nicht vor.
Mit seinem bei dem ArbG am 4.2.2017 eingegangenen Schriftsatz hat der Kl. selbst gegen den Wertfestsetzungsbeschluss Beschwerde eingelegt. Nach seiner Auffassung ist die Beschwerdefrist gewahrt, weil diese erst mit einer – bislang nicht erfolgten – Zustellung des Beschlusses an seinen Prozessbevollmächtigten zu laufen beginne.
Das LAG Berlin-Brandenburg hat die Beschwerde des Kl. als unzulässig verworfen.
2 Aus den Gründen:
[4] "… II. Die Beschwerde ist unzulässig."
[5] 1. Das ArbG hat den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit gem. § 33 RVG festgesetzt, während eine Wertfestsetzung nach § 63 GKG, § 32 RVG nicht erfolgt ist. Gegen diesen Beschluss kann von den Antragsberechtigten innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung Beschwerde eingelegt werden (§ 33 Abs. 3 S. 3 RVG); eine verspätet eingelegte Beschwerde ist unzulässig.
[6] 2. Der Lauf der Beschwerdefrist begann für den Kl. mit der Zustellung des Wertfestsetzungsbeschlusses am 8.12.2016; sie endete daher mit dem 22.12.2016. Die am 4.2.2017 eingelegte Beschwerde erfolgte nach Ablauf der Beschwerdefrist, ohne dass Umstände vorgetragen oder ersichtlich sind, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 33 Abs. 5 RVG) rechtfertigen könnten. Der Kl. kann hiergegen nicht mit Erfolg geltend machen, der Wertfestsetzungsbeschluss hätte seinem Prozessbevollmächtigten zugestellt werden müssen, die an ihn erfolgte Zustellung sei deshalb ohne rechtliche Bedeutung. Zwar hat in einem anhängigen Verfahren die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen, § 172 Abs. 1 S. 1 ZPO. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass derjenige, in dessen Verantwortung die Prozessführung gelegt ist, Kenntnis von den zuzustellenden Schriftsätzen nehmen kann (Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 172 Rn 1). Nur so kann der Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter die Interessen seiner Partei sachgerecht wahrnehmen. In einem Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG ist der Rechtsanwalt jedoch nicht zur Wahrnehmung der Interessen seines Auftraggebers berufen. Er ist an dem Wertfestsetzungsverfahren nicht als Prozessbevollmächtigter der Partei, sondern im eigenen Interesse beteiligt. Denn von der Wertfestsetzung hängt die Höhe der anwaltlichen Gebühren ab, die er gegen die Partei beanspruchen kann. Dies gilt insb. in Wertfestsetzungsverfahren nach erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren, in denen ein gegen den unterlegenen Gegner gerichteter Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten nicht gegeben ist (§ 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG). Der Prozessbevollmächtigte ist mit anderen Worten im Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG nicht Vertreter, sondern Gegner seiner Partei. Für die Beschwerde der Partei nach § 33 Abs. 3 RVG ist deshalb die Zustellung des Wertfestsetzungsbeschlusses an ihren Prozessbevollmächtigten ohne Bedeutung.
[7] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.“
3 Anmerkung:
Die Entscheidung des LAG weist auf ein grundsätzliches Problem hin, das bei der Festsetzung des Gegenstandswertes in allen Gerichtsbarkeiten auftritt. Die Ausführungen des LAG zur Verfristung der Beschwerde des Kl. treffen zu, die Nebenentscheidung des LAG ist falsch.
I. Zustellung im Wertfestsetzungsverfahren
Im Regelfall ist im Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 Abs. 1 RVG die Interessenlage des Rechtsanwalts eine andere als die seines Auftraggebers. Dies setzt sich auch im Beschwerdeverfahren fort. Der Rechtsanwalt wird deshalb die Beschwerde nur mit dem Ziel einer Erhöhung des Wertes einlegen, der Auftraggeber hingegen – jedenfalls im Regelfall – nur mit dem Ziel einer Herabsetzung des festgesetzten Gegenstandswertes (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 22. Aufl., § 33 Rn 14). Daraus folgt, dass für den Beginn des Laufs der zwei Wochen betragenden Beschwerdefrist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG die Zustellung an den jeweiligen Beschwerdeberechtigten maßgeblich ist. Bereits die unterschiedliche Interessenlage in dem Wertfestsetzungsverfahren führt dazu, dass der Rechtsanwalt dort seinen Auftraggeb...