Für den Prozessbevollmächtigten des Klägers, Rechtsmittelklägers oder Antragstellers geht es im Falle der Klage-, Rechtsmittel- oder Antragsrücknahme darum, die Gegenseite so früh wie möglich "bösgläubig" zu stellen, um erstattungsrechtliche Nachteile möglichst zu vermeiden. Denn hat die Gegenpartei Kenntnis von der Klage-, Rechtsmittel- oder Antragsrücknahme, so sind die ab dem Zeitpunkt der Kenntnis entfalteten Anwaltstätigkeiten nicht mehr notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Entscheidet sich der Kläger, Rechtsmittelkläger oder Antragsteller dazu, seinen verfahrensleitenden Antrag zurückzunehmen, reicht er üblicherweise den entsprechenden Schriftsatz bei Gericht ein und fügt dem die erforderlichen (beglaubigten) Abschriften bei. Die Rechtswirkungen dieser Rücknahme treten zwar mit Eingang des entsprechenden Schriftsatzes bei Gericht ein. Bis das Gericht jedoch die Gegenseite hiervon unterrichtet, vergehen im günstigsten Fall einige Tage, manchmal auch ein bis zwei Wochen. Bis zur vom Gericht veranlassten Zustellung des Rücknahmeschriftsatzes vergeht somit einige Zeit, in der auf Seiten der Gegenseite viel passieren kann. So kann beispielsweise der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, Rechtsmittelbeklagten oder Antragsgegners, der von dem Eingang des Rücknahmeschriftsatzes bei Gericht keine Kenntnis hatte und auch keine Kenntnis haben musste, einen Klage-, Rechtsmittel- oder Antragszurückweisungsantrag bei Gericht einreichen, sodass die dadurch ausgelöste volle Verfahrensgebühr nach der nunmehr allgemeinen Auffassung des BGH erstattungsfähig ist.
Um dies zu vermeiden, empfiehlt es sich dringend, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsmittelklägers oder Antragstellers der Gegenseite eine Abschrift des Rücknahmeschriftsatzes übermittelt, um diesen bösgläubig zu machen. Dies gilt nicht nur in dem Fall, in dem dem Kläger, Rechtsmittelkläger oder Antragsteller bekannt ist, dass der Gegner einen Rechtsanwalt bestellt hat. In diesem Fall sollte die Abschrift des Rücknahmeschriftsatzes diesem Rechtsanwalt gegen Empfangsbekenntnis übermittelt werden. Ist der Gegner hingegen anwaltlich nicht vertreten, sollte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsmittelklägers oder Antragstellers seinen Rücknahmeschriftsatz dem Gegner persönlich übermitteln. Dabei könnte der Rechtsanwalt seinem Übersendungsschreiben einige erklärende Worte anfügen, wie etwa:
Zitat
"Sehr geehrte …"
in Sachen (…) habe ich für den Kläger unter dem (…) bei dem Amtsgericht (…) gegen Sie eine Klageschrift eingereicht, die Ihnen seitens des Gerichts möglicherweise noch gar nicht zugestellt worden ist. Mit meinem in Abschrift beigefügten heutigen Schriftsatz habe ich die Klage wieder zurückgenommen. Damit ist die Angelegenheit für Sie erledigt. Sie müssen in diesem erledigten Rechtsstreit auch keinen Anwalt einschalten. Kosten entstehen Ihnen durch die eingereichte und wieder zurückgenommene Klage nicht.“
Wird der Gegner auf diese Weise von der Erledigung des Rechtsstreits bzw. Verfahrens informiert, so ist ab diesem Zeitpunkt eine (weitere) Anwaltstätigkeit für ihn nicht notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Hatte der Gegner beispielsweise für das entsprechende Verfahren noch gar keinen Anwalt bestellt, als er den Rücknahmeschriftsatz erhalten hat, so sind überhaupt keine Anwaltskosten erstattungsfähig. Hatte er hingegen kurz nach Zustellung der Klage-, Rechtsmittel- oder Antragsschrift bereits einen Rechtsanwalt mit seiner gerichtlichen Vertretung beauftragt, so ist diesem zwar nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG bereits für die Information die Verfahrensgebühr angefallen, diese jedoch lediglich zum ermäßigten Gebührensatz. Reicht sein Rechtsanwalt gleichwohl einen Schriftsatz mit Sachantrag bei Gericht ein, ist dies in Anwendung der Rechtsprechung des BGH nicht (mehr) notwendig. Dies gilt auch dann, wenn der Mandant seinen Rechtsanwalt von der ihm selbst mitgeteilten Rücknahme nicht informiert hat.