StVG § 7 Abs. 1
Leitsatz
a) Die Realisierung des Schadens erst nach einer zeitlichen Verzögerung von eineinhalb Tagen steht der Zurechnung der Betriebsgefahr i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG nicht entgegen, wenn die beim Betrieb geschaffene Gefahrenlage solange fort- und nachwirkte.
b) Der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang wird durch einen Sorgfaltspflichtverstoß eines mit der Schadensbeseitigung beauftragten Dritten i.d.R. nicht unterbrochen.
BGH, Urt. v. 26.3.2019 – VI ZR 236/18
Sachverhalt
Der klagende Gebäude- und Haftpflichtversicherer macht im Wege des Direktanspruchs gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung Schadensersatzansprüche geltend. Der Versicherungsnehmer der Bekl. zu 2) hatte einen alleinverschuldeten Verkehrsunfall herbeigeführt. Das bei der Bekl. zu 1) haftpflichtversicherte Kfz des Unfallgegners wurde in die Kfz-Werkstatt des Zeugen I verbracht und ohne Abklemmen der Batterien abgestellt. Aufgrund der bei dem Unfall verursachten mechanischen Einwirkungen auf die elektrischen Leitungen trat an dem Kühlermotor in der folgenden Nacht ein Kurzschluss an dem abgestellten Kfz auf, der zu einem Brand mit folgendem Übergreifen auf das Nachbargebäude führte.
Das LG hat der Klage durch Grundurteil überwiegend stattgegeben, hinsichtlich des Wohngebäudeschadens wegen eines von ihm angenommenen Mitverschuldens des Versicherungsnehmers der Kl. jedoch nur zu 60 %. Im Übrigen auch hinsichtlich der geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten hat es die Klage durch Teilurteil abgewiesen. Das BG hat die Klage insgesamt abgewiesen und einen Zurechnungszusammenhang zwischen dem Betrieb des Kfz und dem eingetretenen Brand verneint.
Die zugelassene Revision der Kl. führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das BG zur neuen Verhandlung und Entscheidung.
2 Aus den Gründen:
"… Die Kl. hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz des ihren Versicherungsnehmern entstandenen Sachschadens gegen die Bekl. als Gesamtschuldner aus § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 86 Abs. 1 VVG und § 398 BGB, § 421 BGB."
1. Voraussetzung des § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter “bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs' verletzt bzw. beschädigt worden ist. Nach der st. Rspr. des Senats ist dieses Haftungsmerkmal entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kfz erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann “bei dem Betrieb' eines Kfz entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kfz ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kfz (mit)geprägt worden ist (Senatsurt. v. 24.3.2015 – VI ZR 265/14, NJW 2015, 1681 Rn 5; v. 21.1.2014 – VI ZR 253/13, BGHZ 199, 377 Rn 5; v. 31.1.2012 – VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rn 17; vgl. ferner Senatsurt. v. 5.7.1988 – VI ZR 346/87, BGHZ 105, 65, 66 f.). Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist (Senatsurt. v. 24.3.2015 – VI ZR 265/14, NJW 2015, 1681 Rn 5; v. 21.1.2014 – VI ZR 253/13, BGHZ 199, 377 Rn 5; v. 31.1.2012 – VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rn 17; vgl. ferner Senatsurt. v. 3.7.1962 – VI ZR 184/61, BGHZ 37, 311, 315). Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht (vgl. Senatsurt. v. 24.3.2015 – VI ZR 265/14, NJW 2015, 1681 Rn 5; v. 21.1.2014 – VI ZR 253/13, BGHZ 199, 377 Rn 5; v. 26.2.2013 – VI ZR 116/12, NJW 2013, 1679 Rn 15; v. 13.7.1982 – VI ZR 113/81, NJW 1982, 2669; v. 3.7.1962 – VI ZR 184/61, BGHZ 37, 311, 317 f.).
2. Nach diesen Grundsätzen ist der geltend gemachte Brandschaden der von den Fahrzeugen der Versicherungsnehmer der Bekl. ausgehenden Betriebsgefahr i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG zuzurechnen. Nach den Feststellungen des BG wurde das Brandgeschehen durch einen Kurzschluss am zum Kühlerlüfter-Motor führenden Leitungssatz des Pkw Mercedes ausgelöst, der seinerseits auf das vorangegangene Unfallgeschehen vom 7.4.2015 und die dabei aufgetretene mechanische Einwirkung auf die elektrischen Leiter im Frontbereich des Pkw Mercedes zurückzuführen ist. Die schadensursächliche Gefahrenlage wurde mithin unmittelbar durch den Unfall und bei dem Betrieb der am Unfall beteiligten Kfz geschaffen. Dass der im Streitfall geltend gemachte (Brand-)Folgeschaden sich erst nach einer zeitlichen Verzögerung von eineinhalb Tagen realisiert hat, vermag daran nic...