Von einer schriftlichen Begründung des Urteils darf künftig abgesehen werden, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichten oder wenn innerhalb der Frist Rechtsbeschwerde nicht eingelegt wird. Die Verzichtserklärung des Betroffenen war bislang auch schon entbehrlich, wenn er von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden ist, im Verlaufe der Hauptverhandlung von einem Verteidiger vertreten worden ist und im Urteil "lediglich" eine Geldbuße von nicht mehr als 250 EUR festgesetzt worden ist. Diese Wertgrenze wurde nun nach § 77b Abs. 1 S. 3 OWiG-E auf 500 EUR erhöht. Soweit in dem Urteil gegen den Betroffenen eine Nebenfolge festgesetzt worden ist, gilt dies nach § 77b Abs. 1 S. 4 OWiG-E auch dann, sofern es sich um ein Fahrverbot von nicht mehr als einem Monat Dauer oder um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert 500 EUR nicht übersteigt. Ist die Rechtsbeschwerde nach den §§ 79 oder 80 OWiG-E nicht statthaft (nicht mehr als 100 EUR), reicht in den Urteilsgründen der Hinweis auf den Inhalt des Bußgeldbescheides; das Gericht kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen zusätzliche Ausführungen machen. Keine schriftlichen Urteilsgründe sind also notwendig, wenn kein ordentliches Rechtsmittel gegen das Urteil gegeben ist.

Ist gegen das Urteil nur der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 80 OWiG statthaft, genügen in den Urteilsgründen Ausführungen zu dem zur Anwendung gebrachten Gesetz. Soweit der Betroffene sich zur Sache geäußert hat, müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Äußerungen für die Entscheidung nicht bestimmend gewesen sind, insbesondere, weshalb eine Nebenfolge nach § 25 StVG festgesetzt worden ist. Gleiches gilt, soweit das Gericht einen von dem Betroffenen gestellten Beweisantrag abgelehnt hat. Diese Änderung begründet der Gesetzgeber damit, dass "trotz der oftmals gegebenen offenkundigen Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels ein solches gegen das Urteil des Instanzgerichtes aus Erfahrungen der Praxis gleichwohl überproportional oft – und nicht selten aus verfahrensfremden Zwecken – eingelegt wird".[14] Daher sei es nicht mehr notwendig, dass ein Rechtsmittel für das Gericht die volle Pflicht zur schriftlichen Begründung des Urteils auslöse, obwohl bereits vorab in aller Regel absehbar sei, dass das Rechtsmittel erfolglos sein wird.

§ 77b Abs. 1 S. 5 OWiG-E dehnt den Anwendungsbereich von § 77b Abs. 1 S. 3 und 4 OWiG-E auch auf jene Fälle aus, in denen der Betroffene nicht in der Hauptverhandlung zugegen war (offenbar fehlerhaft heißt es im Gesetzesentwurf: "der Betroffene nicht in der Hauptverhandlung von einem Verteidiger vertreten worden ist"). Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass dieser Satz nur den entbundenen Betroffenen betreffen soll.[15] Neben den Voraussetzungen von § 77b Abs. 1 S. 3 und 4 OWiG-E ist hier jedoch für ein Absehen von den schriftlichen Urteilsgründen erforderlich, dass das Gericht in seinem Urteil nicht von der im Bußgeldbescheid festgesetzten Geldbuße beziehungsweise Nebenfolge abweicht. Durch sein Verhalten zeige der Betroffene in den Fällen des § 73 Abs. 2 OWiG ein eher geringes Interesse am Ausgang der Hauptverhandlung, weswegen es unter keinem Blickwinkel erforderlich erschiene, dass ihm durch die Übersendung schriftlicher Urteilsgründe der Inhalt der Hauptverhandlung präsentiert werde.

[14] BR Drs. 107/20 (Beschluss), S. 36.
[15] BR Drs. 107/20 (Beschluss), S. 34.

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