"… II."
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach § 62 OWiG zulässig und begründet.
Zwar besteht ein Recht auf Einsicht in die Lebensakte schon deshalb nicht, weil eine solche nicht existiert. Dokumente, die nicht existieren, können von der Bußgeldbehörde auch nicht beigezogen werden. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Führung einer Lebensakte besteht auch nicht.
Das Gericht versteht den Antrag im Zusammenhang mit der Antragsbegründung daher so, dass er sich (hilfsweise) auf die Beiziehung von Reparatur- und Wartungsbescheinigungen nach § 31 MessG richtet.
Die Verwaltungsbehörde hat jedoch Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen und sonstige Eingriffe am Messgerät aufzubewahren (Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 8.9.2016 – (2 Z) 53 Ss-OWi 343/16 (163/16)). Dies folgt aus § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG: Wer ein Messgerät verwendet, hat sicherzustellen, dass Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen oder sonstige Eingriffe am Messgerät, einschließlich solcher durch elektronisch vorgenommene Maßnahmen, für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten nach Ablauf der nach §§ 41 Nummer 6 bestimmten Eichfrist, längstens für fünf Jahre, aufbewahrt werden (LG Trier, Beschl. v. 14.9.2017, 1 Qs 46/17).
Werden dem Betr. solche Unterlagen nicht zugänglich gemacht, hat er keine Möglichkeit, konkrete Anhaltspunkte für eine der Gültigkeit der Eichung entgegenstehende Reparatur oder einen sonstigen Eingriff in das Messgerät aufzufinden (LG Trier, a.a.O.).
Zwar hat die Zentrale Bußgeldstelle durch Herrn PHK ausweislich des Vermerks vom 20.3.2020 eine Auskunft des Herstellers eingeholt, wonach relevante Eingriffe, Wartungen und Reparaturen am Messgerät nicht stattgefunden haben sollen. Dies ist allerdings nicht ausreichend. Es bleibt unklar, wer wann seitens des Herstellers die Stellungnahme abgegeben hat und ob das richtige Gerät angefragt wurde. Letztlich ergibt sich durch den bloßen Vermerk der Zentralen Bußgeldstelle ein Wissensvorsprung seitens der Bußgeldbehörde in Bezug auf die (in welcher Weise?) getätigten Angaben des Herstellers. Nach Auffassung des Gerichts ist es daher erforderlich, eine schriftliche Auskunft des Herstellers selbst einzuholen und dem Verteidiger zugänglich zu machen, sodass dem Verteidiger eine Überprüfung der Herstellerauskunft möglich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 62 Abs. 2 OWiG, 464 ff. StPO.
Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 62 Abs. 2 S. 3 OWiG.“
Mitgeteilt von RA Christian Zinzow, Pirmasens
zfs 9/2020, S. 534 - 535