BGB § 249; RVG § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; RVG VV Nrn. 2300 3100
Leitsatz
Zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (hier: Klage wegen Inverkehrbringens eines Kraftfahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung).
BGH, Urt. v. 22.6.2021 – VI ZR 353/20
Sachverhalt
Der Kläger hatte im Juli 2013 einen von der Beklagten hergestellten und mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestatteten Pkw erworben. Mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 13.11.2018 forderte er die Beklagte zur Erstattung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs auf. Nach fruchtlosem Fristablauf erhob er in der Folge Klage, mit der er u.a. die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 EUR begehrte. Das LG Offenburg hat der Klage im Hauptanspruch überwiegend stattgegeben und die Beklagte im Übrigen u.a. antragsgemäß zur Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG Karlsruhe (Senate in Freiburg) das landgerichtliche Urteil zum Hauptanspruch im Wesentlichen bestätigt, im Freistellungsausspruch jedoch abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Freistellungsanspruch nunmehr in Höhe von nur noch 1.029,35 EUR weiter.
2 Aus den Gründen:
… "I."
[3] Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger nicht schlüssig dargetan, seinen Prozessbevollmächtigten zunächst lediglich mit seiner außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder ihm einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt zu haben. Das Aufforderungsschreiben vom 13.11.2018, in dem darauf hingewiesen werde, dass Klage erhoben werde, falls innerhalb gesetzter Frist keine Zahlung oder kein angemessenes Vergleichsangebot eingehe, spreche dagegen, dass zunächst nur ein Mandat zur außergerichtlichen Vertretung oder nur ein bedingter Prozessauftrag erteilt worden sei.
II.
[4] Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
[5] 1. Die Bemessung der – hier in Gestalt der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten allein noch in Rede stehenden – Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 22.1.2019 – VI ZR 403/17, juris 9 m.w.N.).
[6] Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (st. Rspr., vgl. zuletzt etwa Senatsurteil vom 22.1.2019 – VI ZR 403/17, juris 11 m.w.N.).
[7] Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage des Innenverhältnisses, nämlich der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbem. 3 Abs. 1 Satz 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (vgl. BGH, Urteile vom 15.8.2019 – III ZR 205/17, zfs 2019, 702 Rn 43 m. Anm. Hansens = RVGreport 2019, 453 (Hansens); vom 19.5.2020 – KZR 70/17, NZKart 2020, 535 Rn 44; jeweils m.w.N.; vgl. weiter Hansens, zfs 2019, 703 ff.; Ebert in Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., § 19 Rn 14).
[8] 2. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht in nicht zu beanstandender freier tatrichterlicher Würdigung der Umstände des Einzelfalles beachtet, § 287 ZPO. Es hat ausgeführt, dass der Kläger nicht sch...