Einführung
"Haftung auch noch Tage nach dem Unfall"; "Radfahrer stürzt ohne Berührung: Pkw-Fahrer haftet dennoch" , "Selbstentzündung abgestellter Kraftfahrzeuge: Ein Fall für die Halterhaftung nach § 7 StVG?" – so oder ähnlich titeln Beiträge über die "Haftung ohne Schuld". Dahinter verbirgt sich eine rechtlich spannende Thematik mit hohem Konfliktpotenzial in Theorie und Praxis. Dieser Beitrag soll Orientierung auf dem weiten Feld der Betriebsgefahren verschaffen. Den Startpunkt markieren die gesetzlichen Grundlagen. Nachdem Bedeutung und Zweck derselben verdeutlicht sind, steht § 7 StVG als die Norm mit herausragender Praxisrelevanz im Zentrum. Wegpunkte sind die praxisrelevanten Fallgruppen "Unfall ohne Fahrzeugberührung", "Kfz mit Arbeitsfunktionen" und "Defekt einer Betriebseinrichtung". Die Grenzen der Haftung aus Betriebsgefahr markieren den Zielpunkt.
A. Überblick zu den Haftungsnormen
Normen zur Haftung aus Betriebsgefahr finden sich im Haftpflichtgesetz in § 1 für die Haftung des Bahnbetriebsunternehmers und in § 2 für die Haftung des Inhabers einer Energieanlage. Ansatzpunkt für die Haftung sind der Betrieb einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn bzw. die Wirkungen von Elektrizität, Gasen, Dämpfen etc. § 33 LuftVG normiert die Haftung für Rechtsgutverletzungen beim Betrieb eines Luftfahrzeugs, § 7 StVG diejenige für den Betrieb eines Kfz und § 19 StVG neuerdings die Haftung des Halters für Unfälle beim Betrieb eines Anhängers. Im BGB regelt § 833 die Haftung des Tierhalters für Lebens- und Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen durch ein Tier. Gefährdungshaftungen finden sich ferner im Arzneimittelgesetz in § 84 für Rechtsgutverletzungen infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels sowie in § 1 UmweltHG für solche durch Umwelteinwirkungen.
B. Bedeutung und Zweck
Die Haftung aus/für Betriebsgefahr ist rechtsdogmatisch eine sog. Gefährdungshaftung, die kein Verhaltensunrecht sanktionieren soll, sondern vielmehr auf dem Gedanken der Verantwortung für (freiwillig) eingegangene Wagnisse beruht. Sie ist damit die strengste Art der außervertraglichen Haftung, quasi der "Preis" dafür, dass erlaubterweise im eigenen Interesse eine bestimmte Gefahrenquelle eröffnet wird. Es gilt das Enumerationsprinzip, wonach die unter A. aufgezeichneten speziellen Haftungsnormen den jeweiligen Haftungstatbestand abschließend regeln und nicht im Wege der Analogie erweiterbar sind. Gleichwohl gibt es gemeinsame Strukturelemente der speziellen Gefährdungshaftungstatbestände:
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Die Haftung ist jeweils grundsätzlich weit gefasst und erfasst alle durch den "Betrieb" beeinflussten Schadensabläufe; |
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die Hürden für eine Exkulpation sind hoch, |
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aber häufig kompensiert durch Haftungshöchstgrenzen. |
C. Exemplarisch: § 7 StVG
I. Norminhalt
Danach haftet der Halter auf Ersatz des kausalen Schadens, wenn bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird.
Das objektive Tatbestandsmerkmal, das die Haftung begründet, ist "bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs". Es besteht aus den beiden Elementen der Präposition "bei" als kausale Verknüpfung zwischen Betrieb und Rechtsgutverletzung sowie dem "Betrieb des Kraftfahrzeugs" als Umschreibung der Gefahrenquelle, die die Gefährdungshaftung eröffnet und die Gegenstand dieses Beitrags ist.
Bereits das Reichsgericht hat, wenn auch noch in Verfolgung der sog. maschinentechnischen Auffassung, eine Haftung aus dem Betrieb des Kraftfahrzeugs bejaht, wenn der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung stand, ohne dass es darauf ankam, dass sich gerade die maschinelle Arbeitsweise des Motors ursächlich ausgewirkt hatte.
Durchgesetzt hat sich unter der Ägide des BGH die sog. bis heute herrschende "verkehrstechnische Auffassung". Schon in den 1950er Jahren hat der BGH betont, Zweck des § 7...